Salomons Homepage: Unterlassungsklage gegen Bischof Müller

„Auch Bischöfe sollten bei der Wahrheit bleiben!“

Informationen zur Unterlassungsklage von Michael Schmidt-Salomon
gegen den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller

Chronologie der Ereignisse

25. Mai 2008
Bischof Müller hält eine Predigt in Tirschenreuth, in der er Richard Dawkins und Michael Schmidt-Salomon als Vertreter eines „aggressiven Atheismus“ scharf kritisiert. Dabei stellt er die Behauptung auf, dass Schmidt-Salomon in seinem Buch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ einen Rabbi, einen Bischof und einen muslimischen Gelehrten in Gestalt eines Schweins auftreten ließe (was nachweislich nicht stimmt, siehe auch die Bilder aus dem Ferkelbuch auf dieser Website). Weiterhin verkündet Müller, dass Schmidt-Salomon Kindstötungen bei Berggorillas dazu heranzieht, um den Infantizid beim Menschen zu legitimieren (in Wahrheit jedoch benutzt Schmidt-Salomon das Beispiel, um zu zeigen, dass wir ethische Werte eben nicht unreflektiert aus der Natur ableiten dürfen, siehe „Manifest des evolutionären Humanismus“, S.94f., hier das vollständige Zitat) Als Krönung seiner „Kritik“ verweist Müller auf vermeintliche Parallelen zwischen Schmidt-Salomons Denkansatz und der Nazi-Diktatur (hier der entsprechende Auszug aus Müllers Originalpredigt vom 25.5.08)

28. Mai 2008
Der katholische Nachrichtendienst kath.net verbreitet den Inhalt der Predigt unter dem Titel „Wo Gott geleugnet wird, fällt die Menschenwürde“. Im Artikel heißt es: „Deutliche Kritik äußerte der Regensburger Bischof außerdem an der Schrift „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ von Michael Schmidt-Salomon. Darin werde das Bild vermittelt, dass sich alle, die an einen Gott glauben, auf dem Niveau eines Schweines befänden. Sogar Kindstötungen stellen nach dieser völlig amoralischen Sichtweise kein Verbrechen dar, weil der Mensch keinen freien Willen habe und nur von seinen Genen gesteuert handle.“

Juni 2008
Auf der Website des Regensburger Bistums wird die Predigt des Bischofs als pdf-Dokument veröffentlicht. Michael Schmidt-Salomon erhält einen Hinweis darauf und berät sich mit dem Verleger des „Ferkelbuchs“, Gunnar Schedel, ob man gegen die falschen Tatsachenbehauptungen und Diffamierungen des Bischofs juristisch vorgehen sollte.

Juli/August 2008
Der Aschaffenburger Rechtsanwalt Lutz Weishaupt fordert Bischof Müller im Namen des Klägers Michael Schmidt-Salomon auf, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und die Predigt aus dem Netz zu nehmen. Am 23. Juli wird der Rechtsstreit zwischen dem religionskritischen Philosophen und dem katholischen Bischof durch einen Artikel des Humanistischen Pressedienstes publik gemacht. Müller nimmt daraufhin den ursprünglichen Predigttext aus dem Netz und ersetzt ihn durch eine veränderte Version, der die schlimmsten Tatsachenverdrehungen korrigiert, inhaltlich jedoch keinen Sinn mehr macht, da Müllers Vorwürfe argumentativ nun völlig in der Luft hängen (hier der Auszug aus dem veränderten Predigttext). Trotz dieses indirekten Schuldeingeständnisses weigert sich Müller, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, wobei er sich auf die Religionsfreiheit und seine besondere Stellung als Bischof der katholischen Kirche beruft. Michael Schmidt-Salomon reicht daraufhin am 14. August Klage beim Landegericht Aschaffenburg ein.

Oktober 2008
Müllers Anwälte beantragen, das Verfahren ans Bayrische Verwaltungsgericht Regenburg zu verweisen, da eine Predigt zum Kernbereich kirchlichen Wirkens zähle und damit (entsprechend dem Status der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts) ins öffentliche Recht gehöre. Diesem Antrag wird stattgegeben.

November 2008/März 2009
Müllers Anwaltskanzlei Romatka & Collegen (München) reicht am 19.11.2008 eine 31-seitige Klageerwiderung ein, die allerdings erst im März 2009 beim Rechtsanwalt des Klägers in Aschaffenburg eintrifft.

April 2009
Michael Schmidt-Salomon verfasst am 15.4.09 eine ausführliche Stellungnahme zur Predigt des Bischofs sowie zur Klageerwiderung der Gegenseite. Dabei stellt er heraus, dass es bei dem Verfahren nicht um die Zulässigkeit von Kritik gehe („Natürlich darf mich Herr Müller auch in schärfster Weise kritisieren!“), sondern um die Frage, ob ein Bischof darüber hinaus das Recht habe, falsche Tatsachenbehauptungen aufzustellen und seine weltanschaulichen Gegner in verhetzender Weise zu diffamieren. Den Anwälten der Gegenseite attestiert Schmidt-Salomon, dass sie seine Schriften (wohl im Gegensatz zum Bischof) gelesen hätten. Er wisse jedoch nicht, „was schlimmer ist: die Ignoranz des Bischofs oder die Manipulationsbereitschaft seiner Anwälte…“ Schmidt-Salomons Stellungnahme wird der Klageerweiterung seines Anwalts als Anlage hinzugefügt.

Juli 2009
Nachdem Müllers Anwälte eine weitere Klageerwiderung eingereicht haben, die den Streit u.a. in Richtung „Schwangerschaftsabbruch“ abwenden möchte (um den es in den gerügten Predigtzitaten nachweislich nicht ging!), formuliert Rechtsanwalt Weishaupt eine letzte Klageerweiterung.

23. September 2009
Das Bayrische Verwaltungsgericht Regensburg weist die Unterlassungsklage gegen Bischof Müller ab, da angeblich keine "Wiederholungsgefahr" bestehe. Michael Schmidt-Salomon erklärt im Gerichtssaal gegenüber den anwesenden Pressevertretern, dass er in Berufung gehen werde.

Presseberichte zum Prozess (Auswahl):
Keine Wiederholungsgefahr?
Humanistischer Pressedienst (externer Link)
Aufruf zur Kindstötung? Bischof Müller siegt vor Gericht
Bayrischer Rundfunk (externer Link)

Gericht weist Klage gegen Bischof Müller ab
Süddeutsche Zeitung (externer Link)
Eine Predigt ist kein Tatsachenbericht
Regensburg digital (externer Link)
Regensburger Gericht weist Klage gegen Bischof Müller ab
Radio Vatikan (externer Link)

Oktober 2009
Die schriftliche Urteilsbegründung wird zugestellt (hier im pdf-Format, 15 MB).
Rechtsanwalt Weishaupt stellt Antrag auf Zulassung der Berufung beim Bayrischen Verwaltungsgerichtshof in München.

November 2009
Rechtsanwalt Weishaupt reicht die Begründung des Antrags zur Zulassung der Berufung ein (hier der Text im pdf-Format). Nun muss der Bayrische Verwaltungsgerichtshof entscheiden, ob er die Berufung zulässt oder nicht.

September 2010
Der Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof regt in einem Schreiben vom 15.09.2010 an, das Bistum Regensburg solle, wie im Berufungsverfahren beantragt, die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten Schmidt-Salomons tragen, womit der Rechtsstreit für erledigt erklärt werden könnte. Begründung: Nach vorläufiger Rechtsmeinung des Senats handelte es sich bei Müllers Predigt "um eine Tatsachenbehauptung, die erkennbar im Widerspruch zur Äußerung des Klägers in seinem Werk 'Manifest des evolutionären Humanismus' steht und daher vor dem Hintergrund der Pflicht zur Achtung der Persönlichkeitsrechte und zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht gedeckt ist."

Oktober 2010
Während Schmidt-Salomon dem Vorschlag des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zustimmt, widerspricht die Gegenpartei. In einem Schreiben der Bistumsanwälte vom 29. Oktober 2010 heißt es: "Es wäre eine in der Tat unerträgliche Einschränkung der Freiheit in der Religionsausübung und der Freiheit bei der Verkündung des Wort Gottes, wenn Bischof Gerhard Ludwig Müller künftig sich nur noch unter dem Damoklesschwert einer äußerungsrechtlichen Inanspruchnahme in einer Predigt über kontroverse Themen äußern könnte." Bei einer Predigt handele es sich "nicht um einen wissenschaftlichen Aufsatz, sondern um eine freie Rede zur Verkündigung des Wort Gottes. Würde der Senat bei seiner Auffassung bleiben, dass außerungsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen Äußerungen im Rahmen einer Predigt geltend gemacht werden können, würde dies bedeuten, dass jede Privilegierung nach Artikel 4 GG entfällt. Es könnte damit jeder Bürger gegen jede in einer Predigt
verbreiteten Behauptung rechtlich und notfalls gerichtlich vorgehen, wenn er nur hiervon selbst betroffen ist. Eine freie Predigt ist damit nicht mehr möglich."
Ob das Gericht dieser merkwürdigen Rechtsauffassung folgen wird, die darauf hinausläuft, dass eine "freie Predigt" nur dann gewährleistet ist, wenn sie ungestraft diffamierende Tatsachenbehauptungen (Verleumdungen) enthalten darf? Man darf gespannt sein.

Februar 2011
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellt in seinem Urteil vom 24. Februar 2011 fest, dass die Behauptungen des Bischofs im Widerspruch zu Schmidt-Salomons tatsächlichen Veröffentlichungen standen und geeignet waren, dessen Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaden. Da der Bischof seine „Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt“ habe, sei der Philosoph in seinem „Persönlichkeitsrecht verletzt“ worden. Daher verurteilt das Gericht das Bistum Regensburg dazu, die Schmidt-Salomon entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen, wogegen Müller Beschwerde einreicht.

Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung der Giordano-Bruno-Stiftung:
http://www.presseportal.de/pm/61025/2002082/giordano_bruno_stiftung

Presseberichte (Auswahl):
Das achte Gebot: Auch Bischöfe müssen bei der Wahrheit bleiben
süddeutsche.de (externer Link)
Schwein erfunden. Ein Bischof hat vor Gericht verloren
Junge Welt (externer Link)
Atheist Schmidt-Salomon gewinnt Rechtsstreit gegen Bischof
Christliches Medienmagazin Pro (externer Link)
Nach Urteil geht Bischof in Revision
wochenblatt.de (externer Link)
Gericht: Kein Freifahrtschein f ür Predigt-Lügen
regensburg-digital (externer Link)

August 2011
Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seinem Urteil vom 8.8.2011 (BVerwG 7 B 41.11) fest, dass „die religiöse Äußerungsfreiheit, auch soweit es um eine Predigt geht, keinen absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes“ genießt. Damit findet die dreijährige gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, und dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller ein Ende.
In seiner abschließenden Stellungnahme weist Schmidt-Salomon auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits hin: "„Dies ist ein wichtiges Signal für den Rechtsstaat: Endlich ist juristisch geklärt, dass die Kirche kein rechtsfreier Raum ist. Herr Müller und seine Kollegen sind nun, wie alle anderen Bürger auch, dazu verpflichtet, wahrheitsgemäß zu zitieren. Vielleicht sehen sie es irgendwann sogar selber ein, dass es ratsam wäre, ein Buch erst einmal zu lesen, bevor sie es in einer Predigt verdammen."

***

"Dass Bischof Müller aufgrund seiner Unkenntnis gar nicht so genau wusste, wovon er sprach, macht seine Anschuldigungen und seine falschen Tatsachenbehauptungen keinesfalls harmloser. Denn wenn man wie der Bischof solch schwere Geschütze wie Nazivergleiche auffährt, wenn man unterstellt, dass der andere ein Kapitalverbrechen wie Kindstötung legitimiere, so sollte man sich schon sehr genau informiert haben, ob das, was man sagt, auch den Tatsachen entspricht! Dies hat Bischof Müller nachweislich nicht getan. Ich meine: Auch ein Bischof hat nicht das Recht, das Blaue vom Himmel herunter zu lügen – vor allem dann nicht, wenn er durch falsche Tatsachenbehauptungen die verunglimpfte Person an Leib und Leben gefährdet!

Fakt ist: Ich erhalte schon seit vielen Jahren Morddrohungen von fanatischen Christen und Muslimen, die mich aufgrund meines jüdisch klingenden Namens regelmäßig als „Judensau“ beschimpfen. Durch seine verantwortungslose, durch keinerlei Fakten belegte Predigt hat der Bischof diesen religiösen Eiferern weitere Munition geliefert! Dagegen muss ich mich in einem Rechtsstaat zur Wehr setzen können.

Ich wiederhole nochmals: Es geht hier nicht um Weltanschauungs- oder Religionsfreiheit (bekanntlich sollten religiöse und nicht-religiöse Weltanschauungen in unserem „weltanschaulich neutralen Staat“ gleichbehandelt werden). Der Bischof darf selbstverständlich predigen, was er will. Aber er sollte bei der Wahrheit bleiben, zumindest dann, wenn er Personen namentlich kritisiert!

Ich persönlich habe keinerlei Probleme mit Polemik und auch nicht mit scharf formulierter Kritik, doch die grundlegenden Prinzipien der Fairness sollten auch in einer harten weltanschaulichen Auseinandersetzung gewahrt bleiben. Diesen Fairnessregeln sollte sich niemand entziehen können – auch nicht ein geweihter Vertreter der katholischen Kirche. Wie heißt es so schön? Vor dem Gesetz sind wir alle gleich. Ich hoffe sehr, dass dieser Grundsatz in dem vorliegenden Rechtsstreit zum Tragen kommt… "

Aus der Stellungnahme von Michael Schmidt-Salomon

 

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