M.S.Salomon

Das Maria-Syndrom


Vorspiel Ouvertüre 1.Akt 2.Akt 3.Akt (Anfang) 3.Akt (Mitte) 3.Akt (Ende) Epilog Finale Nachspiel Zugabe für die FreundInnen der Zensur  


1. Vorspiel  

1.1 Der Raum des Alten


Düstere Stimmung. Schwarzweißbilder. Wir sehen eine graue Wand, hören das Ticken einer Uhr. Langsame Kamerafahrt der Wand entlang nach oben. Bilder des KZ Jasenovac. Dann: Großeinstellung Jesus-Uhr ("Jesus rund um die Uhr", siehe Skizze). Der Zeiger bewegt sich von 9.15 nach 9.16. Kamerafahrt durch den Raum. Wir sehen einen grauen, alten Mann, der mit grimmigen Gesichtsausdruck gebückt durch das Zimmer schleicht. Es klopft. Der Alte öffnet. Ein kleines Mädchen (Hippielook, hebt sich durch bunte Farben von der grauen Umgebung ab) überreicht ihm einen Umschlag und verschwindet. Der Alte öffnet den Umschlag und findet darin eine Schallplatte (Single), die er auf seinen alten Schallplattenspieler legt. (Ave Maria von Schubert erklingt, Knabensopran, Orgel). Der Alte setzt sich in seinen Schaukelstuhl und schließt die Augen. Kamera fährt auf seine Augen zu. Detailaufnahme seiner Augendeckel. Mit zunehmender Nähe: Unschärfe. Bruchloser Übergang zu Szene 2.

 
1.2. Kathedrale

Stimmung unverändert düster. Wir befinden uns im dunklen Innenraum einer Kathedrale, die nur durch Kerzen beleuchtet ist. Aus weiter Ferne ist noch die Platte mit dem Ave Maria zu hören. (Schwindet aber zunehmend) Abwechselnd objektive und subjektive Kameraführung (subjektiv = Perspektive des alten Mannes, der die Kathedrale durchschreitet).

Wir sehen eine Gruppe alter Frauen, die mit eindringlichem Flüsterton den Rosenkranz beten. Kameraschwenk: Eine Gruppe von Kindern wartet angstbleich auf den Beichtvater. Sie sind angekettet an Kirchenbänke, die sich vor einem Beichtstuhl befinden. Die Hand des alten Mannes streichelt wohlwollend über den Schopf eines Kindes, das ängstlich, mit Tränen in den Augen, in die Kamera blickt.

Wir hören ein Hämmern. Die Kamera fährt auf eine Gruppe von Mönchen zu, die - an langen Tischen stehend - hölzerne Jesus-Figuren auf Kruzifixe nageln.

Der alte Mann geht auf die Mönche zu und begrüßt sie mit einem Segen:

Alter Mann:

Agnus Dei

Mönche:

Qui tollis peccata mundi

Die Mönche fahren mit ihrer Arbeit fort. Einer von ihnen sammelt die fertiggestellten Kruzifixe ein und fährt sie mit einem kleinen Einkaufs-Wagen fort. Die Kamera folgt dem Wagen, der auf einen Reliquienstand zusteuert. Am Reliquienstand angekommen, schwenkt die Kamera über die breite Produktpalette: Vorhaut-Jesu-Hostien (10.Stück 15,95 DM), Marien-Eierwärmer (Stück 29,.95) Herz-Jesu-Tränen ("krieslaufstabilisierend" 15 ml 56,80 DM), Jesus-Uhren (129,80 DM) usw. Plötzlich erklingt eine Fanfare. Kameraschwenk auf den alten Mann, der als Prediger vor einer großen Anzahl Gläubiger steht.

Alter Mann:

Und ich sage Euch. Der Herr der Ewigkeiten lebt. Er lebt in mir. Lebt in Euch. Spürt Seine Kraft. Halleluja.

Gemeinde:

Halleluja

Alter Mann:

Ja, kommt näher, kommt näher Brüder und Schwestern. Seid eins mit mir. Seid eins mit Gott. Fühlt Seine Stärke. Werdet Teil Seines göttlichen Plans, Teil des Feuers, das da hinwegbrennt die Sünde der Welt. Reinigt Euch, Reinigt Euch, Freunde. Halleluja.

Gemeinde:

Halleluja

Alter Mann:

Reinigt die Welt vor Abschaum, vor Sünde. Bekämpft den Zweifel, denn der Zweifel ist das Werkzeug des Teufels. Ja, ich spreche vom Teufel, von Luzifer, dem Leibhaftigen. Blickt Euch um. Er ist mitten unter uns. Hört ihr nicht seine gescheiten Worte, die alles in den Dreck ziehen, was uns heilig ist? Ja, der Teufel ist hier und er säuselt Euch heimtückisch ins Ohr: zweifelt, zweifelt, zweifelt!

Nein, Freunde! Laßt den Zweifel nicht zu! Laßt den Teufel nicht hinein in Euer Herz! Verschließt Eure Augen und Ohren, bevor es zu spät ist! Brüder und Schwestern, Ihr müßt glauben! Nur der Glaube kann uns retten. Nur der Glaube. Der bedingungslose Glaube. Der totale Glaube, der noch totaler und radikaler ist, als wir es uns vorstellen können. Ich frage Euch: Wollt Ihr den totalen Glauben?

Gemeinde:

Ja!

Alter Mann:

Wollt ihr ihn, wenn nötig, noch totaler und radikaler, als wir ihn uns überhaupt noch vorstellen können?

Gemeinde tobt:

Jaa!!

(Heftiges Sich -Bekreuzigen der Gemeindemitglieder)

Alter Mann:

Dann lasset uns beten, wie der Vater uns zu beten gelehrt hat:

Gemeinde:

Gesegnet sei der Schmerz. Geliebt sei der Schmerz. Geheiligt sei der Schmerz. Verherrlicht sei der Schmerz...

 

Kleines Hippiemädchen von der Seite, hinter einem Vorhang (hebt sich durch bunte Farbe, von der schwarzweißen Umgebung ab):

Ssssst.

 

Der alte Mann blickt sich um. Das Mädchen winkt ihn zu sich. Der alte Mann runzelt verärgert die Stirn, folgt aber der Anweisung. Das Mädchen läuft lachend weg. Der Alte versucht das Kind einzuholen, ist aber nicht schnell genug. Er hat die Spur verloren, möchte schon wieder umkehren, doch da erscheint das Mädchen wieder und winkt abermals. Wiederum läuft es weg, der Alte hinterher. Nach einiger Zeit vergeblicher Verfolgung steht der Alte unvermittelt vor einer großen, schweren Tür. Subjektive Kamera. Der Alte geht langsam auf die Tür zu. Musik: Spannungsreiche Dissonanzen. Der Alte schiebt einen schweren Eisenriegel zurück. Musik steuert dem Höhepunkt zu. Der Alte öffnet sehr langsam die knarrende Tür. Plötzliche Ruhe.

Der Alte betritt vorsichtig den stockdunklen Raum auf der anderen Seite der Tür. Er blickt sich um. Nichts passiert. Doch plötzlich fällt die Tür hinter ihm krachend ins Schloß. Großeinstellung auf die angsterweiterten Augen des Alten.

 

 



  2. Ouvertüre
2.1 Party

Auf einen Schlag grelles, buntes Licht und Einsatz der Band (Ouvertüre). Der alte Mann befindet sich auf einer äußerst schrillen Party. Im Hintergrund sieht man die Bühne. Davor: Freaks aller Altersgruppen, die miteinander rauchen, trinken, reden oder sich stehend, sitzend oder liegend lieben. Der alte Mann wird von einem schwulen SM-Pärchen auf einen Sitz in der ersten Reihe vor der Bühne geführt und mit Handschellen an den Stuhl gefesselt.

(Viele Schnitte Nur die wichtigsten werden im Folgenden angegeben)
 

2.2 Bühne

Showlicht. Kamera abwechselnd auf die Band, auf das entfesselte Partypublikum und den gefesselten Alten gerichtet.

Schnitt: Der Erzähler, eine Mischung aus Kinski und Mephoistopheles, betritt die Bühne.

Erzähler:

Ladies and Gentlemen! Die folgenden Darbietungen sind obszön und geschmacklos. OBSZÖN, weil sie unter die Gürtellinie zielen und GESCHMACKLOS, weil sie eben dadurch jenen sogenannten "guten Geschmack" verfehlen, welcher bekanntlich in höheren Regionen sein vertrocknetes Dasein fristet.

 

2.3 Imaginärer Raum

Der Alte umrahmt von sparsam bekleideten Sängerinnen/Tänzerinnen. Der Erzähler schleicht um sie herum, von der Kamera verfolgt.

Erzähler:

Nun ist aber jener Teil, der sich unterhalb der Gürtellinie befindet, derjenige, der uns am meisten fasziniert, denn der Mensch trägt seine Wahrheit - wie wir wissen - nicht im Kopfe, sondern ZWISCHEN DEN BEINEN.

 

Sängerinnen:

Between the legs

Die Sängerinnen zeigen Bein. Kameraperspektive von unten. Der Erzähler liegt auf dem Boden, schmiegt sich an die Beine der Sängerinnen an.

Erzähler:

ZWISCHEN DEN BEINEN: die Quelle der Religion, ZWISCHEN DEN BEINEN: der Ursprung der Philosophie, ZWISCHEN DEN BEINEN: das Fundament von Politik und Ästhetik, ZWISCHEN DEN BEINEN: auch die Wurzel jenes Leidens, das der Psychoanalytiker Henry Boys einmal treffend als "MARIA-SYNDROM" bezeichnete...

Erzähler öffnet den Reißverschluß seiner Hose, zieht einen Apfel heraus der Hose, beißt hinein.
 

2.4 Bühne

Zusätzlich zur Bühnenshow werden altgriechische Akt-Darstellungen, archaische Phallus- und Fruchtbarkeitszeichen eingeblendet.

Tell us about the roots :II
The roots of religion and politics
The roots of beauty and philosophies
The roots of the story
 

All the roots are :II
ALL THE ROOTS ARE ...
Between our legs, between our legs :II
where we pee and have deseases
Between our legs
where we produce our own kind (and smell!!!)
Between our legs
Between the legs, between the legs, yeah,
(...)and what about Jesus?.... "
 

Gespräch zwischen Sänger und Sängerinnen.

" Deseases?"
- "No, Jesus!"
"Well, at least he was born between her legs,wasn`t he?"
"Ehm..yeah.."
"Why do you waste your thoughts on this!!!!"
"Well, I keep asking myself...
..Does God have a dick?

wildes Licht im Takt der Musik..
Schnitt. Die Kamera zeigt einen Thron mit Marienfigur.

Only Mary knows....

Kamera fährt auf Marienfigur zu. Licht wird langsam ausgeblendet. Kameraschwenk: Enthusiastischer Beifall der Partygäste.  


3. 1. Akt

 

3.1 Bühne

Trommelwirbel. Das Schild mit der Aufschrift "1. Akt" wird von einem Travestie-Pärchen über die Bühne getragen. Beifall und begeisterte Pfiffe vom Publikum.

Erzähler:

1. Akt

Gong wird geschlagen. Fanfaren erklingen. Ein rustikales WC-Häuschen wird auf die Bühne gefahren. Erzähler geht auf das WC-Häuschen zu, öffnet die Tür:

Erzähler:

ROSA BLÜMCHEN-KACHELN!

Kamera fährt auf Rosa Blümchen-Kacheln im Inneren des WC-Häuschens zu. Mit zunehmende Nähe wird das Bild unscharf. Nahtlose Blende in Realsituation der Comicalhandlung.
 

3.2 Haus von Großonkel Henry

Wir sehen John, der vom Kaffeetisch aufsteht und durch den Flur eilt.
Erzähler (durchgehend sehr lässig):

John haßte Familienfeiern. Er hatte sich soeben vom opulent gedeckten Kaffeetisch zurückgezogen, weil er die ermüdenden Tischgespräche nicht länger ertragen konnte.
John beschloß, seine Zeit mit Sinnvollerem zu nutzen, sich auf der Toilette einzusperren und dort solange zu onanieren, bis daß sein Schwanz im Dunkeln glühen würde.

Kamera auf Gitarristen, der in einer Flurtür stehend mit einem rasanten Gitarrensolo brilliert, bis er sich am allmählich erglühenden Griffbrett verbrennt. Danach Kamera wieder auf John..

Erzähler:

Der Gedanke allein machte ihn scharf. Und so betrat John in freudiger Erregung das fremde Bad, wo ihn beinahe der Schlag traf.

John hat die Tür geöffnet und schreckt zurück.

Erzähler:

Gerade dem Spießerpack entronnen und nun das: ROSA BLÜMCHEN-KACHELN!

Kamera fährt auf die Kacheln zu. Kameraschwenk auf John, der das Bad betritt und aus seiner Hose ein verknittertes Pornoheftchen kramt.

Erzähler:

"Scheiße!" sagte John. Er kramte aus seiner Hosentasche eines jener kleinen, miesen Pornoheftchen, die er stets bei sich trug.

John blättert lustlos in dem Pornoheftchen.

Erzähler:

John betrachtete das Fleischangebot recht lustlos, bis er endlich ein Foto von Samantha, seiner "Schnecke", wie er sie liebevoll nannte, entdeckte.

Da begann sich auch sein Pint zu regen.

Kamera zeigt, wie ein schweres Eisenrohr langsam von einem Krahn in die Höhe gezogen wird. Schnitt: Der Erzähler schließt die WC-Tür von außen. Kamera auf Erzähler:

Erzähler:

"Guter Pint!", sagte John. Mit diesen Worten stellte er sich vors Klosett und begann mit der altbewährten Handarbeit.

Der Erzähler tritt zur Seite. Kamera auf die Tür. Unheimliches, buntes Licht scheint durch die Türritzen hindurch. Lichtwechsel im Takt der Musik.

Erzähler:

Und John onanierte ungestört.
Doch ausgerechnet in dem Moment, indem er kam und seinen Saft auf den Klobrillenrand verspritzte,

Explosionsartiger Lichtflash. Die Novizin Ann-Marie erscheint.

Erzähler:

klopfte es an der Tür.

(Beethoven-Motiv)

Ann Marie klopft.

Erzähler:

Draußen stand Johns Kusine Ann-Marie in keuscher Novizinnentracht. Unbefleckt. Unberührt.

Schnitt: Kamera nun im Bad hinter John postiert, verfolgt seine Bewegungen.

Erzähler:

"Scheiße!" fluchte John. Er packte seinen schmierigen Schwanz ein und ging zur Tür. Dort fiel sein Blick auf die noch mit reichlich Sperma verzierte Klobrille.

Kamera auf Toilettenbrille, die mystisch erleuchtet ist.

Erzähler:

Was tun? Noch schnell alle Spuren der Lust beseitigen? Oder...

Großaufnahme von Johns Gesicht.

Erzähler:

John grinste. Der Gedanke, daß sich Ann-Maries keusch-klerikaler Arsch in seinen noch warmen Liebessaft setzen werde,

Großaufnahme von Ann-Maries Hintern.

Erzähler:

erfüllte ihn mit großem Entzücken.
John öffnete die Tür ...

Kamera auf die Tür gerichtet, die von einem grinsenden John geöffnet wird..

Erzähler:

Kamerafahrt durch die Tür hin zur Toilette. Großaufnahme der schicksalhaften Toilettenbrille (synchron zum Beethoven-Motiv).

 

3.3 Come in, bitch.

Schnitt. Kamera aus der Flurperspektive. Der Flur bricht an den Seiten auseinander. Nur der WC-Raum bleibt stehen. Wir befinden uns auf der Bühne. Showlicht. Fulminante Tanzszene. John macht sich in Begleitung "unheiliger Schwestern" mit obszönen Gesten über Ann- Marie lustig, die singend den Herrgott um Vergebung bittet.

John:

"Come in,bitch,your holy face,
looks like you need ta urinate!
Sit down Babe, sit down, Babe
Now don`t ya hesitate!"

Anne-Marie:

"Forgive him, Lord, oh my Lord,
He is just a victim of satan's cruel behaviour!
Forgive him,Lord, oh my Lord!
He`s just a weak sinner...just a lost child.....

Lichterflackern Ann-Marie fällt zu Boden. Blackout. Kegelscheinwerfer auf Ann-Marie.
 

3.4 The Seed, Part 1

Stille. Ann-Marie steht langsam auf, schreitet zur Toilette, öffnet die Tür. Die Toilette ist in mystisches blaues Licht gehüllt. Nebel.

Beginn der Musik: Ann-Marie betritt den Raum, stellt sich vor den Locus, hebt den Rock, setzt sich nieder. (Einsatz Flächensound des Keyboards)

Schnitt: Film zeigt, wie Spermien Mutterzelle befruchten sowie die anschließende Zellteilung. Band und Sängerin werden in diesen Vorgang einmontiert. Psychedelic-Effekte.

 

The seed to life is a tiny little worm
so alive and lasting a 40 hour's term
And even though a load of them smell..
Ann-Maria couldn't tell
And even though they're slimy
she never felt them-or did she..?
Between her legs.......
 

 


 

4. 2.Akt

 

4.1 Bühne

Trommelwirbel. Artist im Mönch-Kostüm macht Flick-Flack über die Bühne, springt in den Spagat, hält das Schild "2. Akt" in die Höhe. Eine Artistin im Nonnenkostüm kommt von der anderen Seite, macht ebenfalls Flick-Flack., Sprung in den Spagat. Ihr Schild trägt die Aufschrift "9 Monate später".

Erzähler:

2. Akt. Neun Monate später.

Kamera zeigt, wie der Gong geschlagen wird. Überblende 4.2
 

4.2 Praxis des Psychoanalytikers Henry Boys
 

Kamera auf Türschild "Dr. Henry Boys. Psychoanalytiker". Die Tür wird geöffnet. Kamera auf Ann-Marie, die mühsam und leidend ihren dicken Bauch umfaßt und sich auf einen Stuhl setzt, der sich vor dem wuchtigen Schreibtisch des Psychoanalytikers befindet. Kamera richtet sich auf Boys, der mit dicken Brillengläsern hinter dem Schreibtisch hervorguckt.

Erzähler:

Henry Boys war als Analytiker mit allen Wassern gewaschen, aber ein solcher Fall war selbst ihm bisher noch nicht unter die Augen gekommen. Nicht nur, daß die hochschwangere Frau, die ihm gegenübersaß, gerade vor 6 Monaten ihr Gelübde abgelegt hatte, sie behauptete auch jetzt noch steif und fest, niemals einen Mann geküßt, geschweige denn: sexuell mit einem Mann verkehrt zu haben.

Dr. Boys schaute in seine Unterlagen. Der Fall der Ann-Marie Bretoni hatte für einigen Medienrummel gesorgt. Die Boulevardpresse hatte mehr als ausführlich über die Schwangerschaft der Nonne und ihre unrühmliche Verbannung aus der Ordensgemeinschaft berichtet. Er blickte auf und sah in die verzweifelten, hilfesuchenden Augen seiner Patientin:

Boys:

"Und sie behaupten noch immer, niemals mit einem Mann geschlafen zu haben?"

Kamera auf Ann-Marie, die den Kopf senkt.

Erzähler:

Ann-Marie schwieg.

Kamera auf Boys.

Boys:

"Sie müssen zugeben, daß dies für eine schwangere Frau eine recht ungewöhnliche Aussage ist",

Kamera auf Ann-Marie.

Ann-Marie:

"Herr Doktor",

Ann-Marie richtet sich auf.

"Sie müssen mir helfen. Es muß doch eine Erklärung für all das geben, was mir da widerfahren ist."

4.3 Oh Doctor

 

Ann-Marie ist aufgestanden, geht auf Boys zu, wendet sich flehend an ihn.

Ann-Marie:

Oh doctor, doctor, can you
help me?
Oh, doctor, doctor, please! What's going on? This child in my abdomen
I don't know, where it's coming from!
Where is it coming from ?

Schnitt: Ann-Marie in einer heruntergekommenen "Irrenanstalt" umherirrend, umzingelt von psychisch gestörten Menschen, darunter zwei falschen Ausgaben von Napoleon, die sich gegenseitig ohrfeigen. Boys verteilt Pillen.

Oh doctor, think I'm going mad!
All the things that I see are burning in my head!
Oh, what's happening to me, doctor make me see
Set me free! :ll

Auch Ann-Marie hat eine Pille bekommen und nun eine Vision (Cue: Beginn des Gitarrensolos) Sie wandelt durch einen mittelalterlichen Saal, in dem sexuelle Ausschweifungen zwischen Nonnen und Patres stattfinden.

Ann-Marie ist entsetzt. Kamera schwenkt auf die Band, die in Mönchskutten inmitten dieses Liebeskonzils musiziert. (Ende Gitarrensolo)

Schnitt: Wir befinden uns wieder in der Praxis von Boys. Kamera-Großeinstellung auf Ann-Marie, die dramatisch um Hilfe bittet und am Schluß entkräftet zu Boden sinkt.

Oh, doctor, doctor, what's going on?
I never had a man, so why should I have a son?
Oh, what's happening to me, doctor make me see
Set me free :ll

Oh what's happening to me, doctor make me see
Set me free, make me see, set me free, make me see,
Set me free, set me free, make me see, make me see,
set me free, set me free, make me see, make me see,
Oh what's happening to me, doctor make me see
Set me free!

Oh what's happening to me, doctor make me see,
Set me free!

 

 

4.4 Praxis
 

Boys hebt Ann-Marie auf und legt sie auf seine Couch, geht dann im Zimmer umher.
Boys:

"Tja. Die Sache ist in der Tat recht schwierig."

Er nimmt seine Nickelbrille ab und putzt die Gläser.

Boys:

"In der Geschichte gab es - wenn ich mich nicht irre - nur einen einzigen, auch nur annähernd ähnlich strukturierten Fall. Vor knapp zweitausend Jahren. Da stand nämlich die heilige Jungfrau Maria höchstpersönlich vor einer ähnlich prekären Situation. Ihr gelang es damals, wie Sie wissen, ihren wohl reichlich naiven Freund Josef davon zu überzeugen, daß ihre Schwangerschaft göttlichen Ursprungs sei. Ich möchte also - wenn Sie es mir erlauben - bezüglich Ihres Leidens von einer Art "MARIA-SYNDROM" sprechen."

Ann-Marie:

"Maria?"

Erzähler:

"Shut up!"

 

 

4.5 Bühne: Religious Fools

 

Bühnenaction. Sänger, Sängerinnen, Tänzer und Tänzerinnen im Vordergrund. Bühnenmitte: Ann-Marie auf der Couch liegend und Boys daneben stehend. Beide unbeweglich, wie versteinert. Hinter der Band auf einer Großleinwand sind historische Aufnahmen von religiösen Führern und ihren Opfern zu sehen. Viele Schnitte. Abwechselnd zu sehen: die historischen Aufnahmen, die Band, die Tänzer und Tänzerinnen, das Publikum, außerdem der Alte, a) auf dem Partystuhl gefesselt, b) in seinem grauen Schaukelstuhl sitzend und von Alpträumen geplagt.

 

Flowers wither, meat decays
People lose their rotten face
Stars explode, earth erodes
Society does change its modes
Religious fools, don't you know its time
To leave the place now, we don't need your crimes
Don't ya know, don't ya know?
Your time is gone!
Don't ya see, don't ya see
The wrong you 've done?
Listen!

 

We don't need you
Don't want to bleed for you
We can't stand you
No more, no more
Religious fools...
Don´t be afraid of freedom fools....
Don´t be afraid...

 

Religious fools, you dogs of war
Now step aside, we don't need you anymore
Don't need your incense, don't need your heaven's law
A better world, that's what we're fightin' for
So don't be blind, change your mind
Love and peace, that's what you'll find
Listen!
Don't be afraid of freedom!

 
We don't need you
Don't want to bleed for you
We can't stand you
No more, no more
Religious fools...
Don´t be afraid of freedom fools....
Don´t be afraid...

 

 

Am Schluß Blackout. Kamera auf das johlende Publikum.

 

 
4.6 Rezitativ

 

Kamera auf Ann-Marie, die auf der Couch liegt und sich aufrichtet. Mildes Licht.

Ann-Marie:

"Maria?"

Erzähler

Ann-Marie schien die Ausführungen ihres Analytikers nicht recht verstanden zu haben, denn plötzlich war sie wie ausgewechselt:

Ann-Marie (Rezitativ):

Herr Doktor, gleich, als ich Sie das erste Mal sah, da wußte ich, daß Sie mich verstehen werden. Nicht wahr, Sie glauben mir doch, daß ich rein bin und niemals einen Mann in mein Heiligstes eindringen ließ?"

 

4.7 Praxis

 

Kamera auf Boys, der sich schneuzt.

Boys:

"Nun ja, ich glaube Ihnen, daß Sie das glauben. Dennoch waren -davon sollten wir ausgehen - objektiv die Verhältnisse anderer Natur."

 

Boys geht zum Schreibtisch und blättert abermals in den Unterlagen:

"Die extrem sexualfeindliche Erziehung, in deren Genuß sie kamen, führte dazu, daß Sie den Intimbereich insgesamt negativ besetzten. Sie dämonisierten das Schöne, Erregende, heiligten das Häßliche, verketzerten die Lust, priesen die Lebensqual und entdeckten den Reiz am Reizlosen. Kurzum: Sie waren prädestiniert für eine erfolgreiche Kirchenlaufbahn. Doch dann muß es vor circa neun Monaten einen Bruch in Ihrem Leben gegeben haben. Sie hatten Ihren ersten sexuellen Kontakt..."

Ann-Marie:

"Maria!"

Boys:

"... mit einem Mann!!"

Ann-Marie:

"Maria!"

Boys:

"Höchstwahrscheinlich wurden Sie vergewaltigt..."

Ann-Marie:

"Maria, Maria, Maria!"

Boys:

"..aber das können Sie nicht wissen, denn dieses Erlebnis widersprach so völlig ihrem Selbstkonzept, daß Ihr ICH die ganze Situation einfach negieren mußte, um weiterhin stabil existieren zu können."

Ann-Marie:

"Maria, Maria!"

Boys:

Was ich sagen will: Sie haben den sexuellen Akt lediglich verdrängt, vergessen, in die Gefilde des Unterbewußten abgeschoben."

Kamera auf Ann-Marie, die sich langsam aufrichtet. Erzähler erscheint im Bild und schildert die Szene aus der Perspektive der teilnehmenden Beobachtung.

Ann-Marie:

"MARIAAAA!!!!"

Erzähler:

Dr. Boys blickte in Richtung seiner Patientin, um zu überprüfen, welche Wirkung denn seine Rede hervorgerufen hatte.

Lichterfackern. Ann-Marie steht mit gestrecken Armen und ekstatischem Blick im Raum.

Erzähler:

Ann-Maries Reaktion war leider alles andere als erwartet und erhärtete seine These, daß Frömmigkeit häufig eine überaus gefährliche Form der Geisteskrankheit sei: Sie stand mit weitgeöffneten Armen und ekstatischem Blick in der Mitte des Raumes.

Kamera auf Ann-Marie. Im Hintergrund rasche Aufeinanderfolge von Marienbildern

Ann-Marie:

" Oh gnädiger Gott! Du Gütiger! Ist es wahr, daß Du mich zu Deiner Magd erwähltest? Bin ich, Sünderin, dazu bestimmt, den Heiland, den Erlöser zu gebären?
Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus, Deus Sabaoth,
Hosanna in excelsis Deo
Hosanna in excelsis Deo.....
 

Ann-Marie wirft sich auf den Boden, betet.

Erzähler:

Ann-Marie warf sich auf den Boden und betete sieben Mal das Pater noster.

Dann setzten die Wehen ein...

 
 

4.8 The Birth

 

Kamera auf Ann Marie, die sich vor Schmerzen auf dem Boden windet, stöhnt.
Kameraschwenk auf Boys, der telefoniert.
Notärzte erscheinen, legen Ann-Marie auf eine Patientenliege, tragen sie heraus. Wilde Fahrt mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus.
Ann-Marie wird ärztlich überversorgt (Infusion, Blutdruckmessen, Spritze etc.) Der Chefarzt kommandiert sein Team. Zwei Krankenhausschwestern attackieren im Song die wehengeplagte Ann-Marie.
 

The most simple thing on earth-
The most natural to happen!
The seed of life
Gets on its way to birth!
 
Just a tiny little worm
Not even a drop of protein
Brings up the innocent
Living!
 
But wait until it will
grow up!
Little innocent becomes
A grown up human being!
 
A prince has the chance
To live as a king one day.
The child from the dusty streets
Might try to..

This child here has the chance
To be seen as a son of God
Not like other sons would seem to you
 
So wait until he will
grow up!
Little innocent becomes
A rising human beeing

 

Die Geburt beginnt. Doktor spreizt die Beine Ann-Maries. Sie stöhnt laut und heftig im Beat der Musik. Steigerung Licht/Musik. Das Ganze sehr schrill.

Doctor:

So here we are, Miss Bretoni!
Start Breathing as you’ ve learned it at the pregnancy breathing course.
Good girl. We’ re almost there! Aaand heere we go!!!

Orgiastischer Höhepunkt: Doktor zieht Kind unter dem Rock Ann- Maries hervor (Babyschreien), hebt es triumphierend in die Höhe. Ann-Marie streckt sich nach dem Kind, bekommt es aber nicht, da es erst vom Doktor und den Schwestern liebkost wird. Erst nach einiger Zeit wird es Ann-Marie übergeben, die es liebevoll in den Arm nimmt und küßt.

Doktor:

It s a boy! Congratulations, Miss Bretoni!
Who s next ?

Gospelchor erscheint. umringt das Bett.

Good luck,Me-Ti,now you`re born!
Child of knowledge and of thorns!
Good luck, Me-Ti, Now you`re born - alive - being - growing - RISING!!

Zwischenzeitlich sind Esel, Kühe, Schafe und Könige erschienen. Das Krankenzimmer ähnelt dem legendären biblischen Stall. Ann-Marie hält das Kind beschützend in den Armen wie eine Madonna. Nur die Infusionen verhindern etwas die sakrale Stimmung des Bildes. Gegen Ende zunehmend enthusiastische Tanzszene.

 

Halleluja, Halleluja, Halleluja,Halleluja...
The child is born, the child is born, the child is born, Halleluja
Halleluja, Halleluja, Halleluja,Halleluja...

 
 

 


5. 3.Akt (Anfang)

 

 

5.1 Bühne

Trommelwirbel. Vier Männer im Trenchcoat erscheinen, stellen sich nebeneinander auf die Mitte der Bühne. Exhibitionistisch öffnen sie ihre Mäntel. Sie sind nackt, tragen auf ihrer Brust aber jeweils ein Schild. ("3.Akt", "Dreißig", "Jahre", "später")

Kamera auf Erzähler, der nun in einem weiten, esoterisch anmutenden Gewand erscheint:

3. Akt (30 Jahre später)

Der Erzähler schlägt auf den Gong. Großeinstellung auf den Gong.

 

 

5.2 In einem Aschram

 
Kameraschwenk von Gong auf die Rednerbühne eines Aschrams. Me-Ti erscheint, schreitet langsam auf den Bühnenrand zu und beginnt zu seinen Anhängern zu sprechen. Mystisches Licht. Kamera abwechselnd auf den charismatischen Me-Ti und seine begeisterten AnhängerInnen gerichtet.

 
Me-Ti:

"Wer das Leiden nicht bekämpft,
Trägt Schuld am Leiden.
Wer das Unrecht toleriert,
Begeht Unrecht.
 
Seht:
Der gesättigte Magen ist gerne
Tolerant.
Ach, wie gerne toleriert er
Das Unrecht, das benötigt wird
Zum Anrichten der fetten Speisen,
Die er so liebt.

Mißtraut dem gesättigten Magen!
Er ist
Taub für das Schreien
Des hungrigen Kindes und
Blind für die Zeichen der Zukunft.
 
Bekämpft also
Die falsche Toleranz.
Sie ist die Waffe
Derer, die besitzen und
Weiterhin besitzen wollen."
 

Me-Ti und seine AnhängerInnen sind plötzlich wie versteinert. Der Erzähler schleicht um sie herum.

Erzähler::

Me-Ti, der Sprößling der Ex-Novizin Ann-Marie, war zu einem prächtigen, jungen Mann herangewachsen, den viele für den wiedergeborenen Messias hielten.
Me-Ti selbst waren solche Gedanken wohlvertraut denn seine Mutter hatte ihn in dem Bewußtsein erzogen, daß er von Gott dazu bestimmt sei, die Menschheit von ihren Leiden zu erlösen. Allerdings wollte es ihm beim besten Willen nicht gelingen, auch nur das schäbigste, kleine Wunder zu vollbringen.

Schnitt: Me-Ti wandelt über das Wasser, sinkt aber plötzlich ein und rudert hilflos mit den Armen.

Erzähler im Vordergrund:

Mit Scham dachte er an die zahlreichen, mißglückten Versuche zurück, trockenen Fußes über das Wasser zu schreiten.

Schnitt: Me-Ti schüttet eine Flüssigkeit aus einem Steinkrug in einen Becher, trinkt, und spuckt die Flüssigkeit wieder aus....

Erzähler:

Auch seine Fähigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln, ließ sehr zu wünschen übrig. (Jeder profane Winzerssohn war auf diesem Gebiet erfolgreicher als er.) Me-Ti gab dies alles öffentlich zu. Doch irgendwie schien das die Menschen nicht davon abzuhalten, sich zu Tausenden vor seinem Aschram zu versammeln.

 

5.3 Save us Me-Ti

 

Heller Tag. Die Sonne scheint. Me-Ti sitzt auf einem Esel. Seine Anhängerschaft huldigt ihm palmzweigwedelnd. Das Ganze die unbekümmerte Naivität eines Hippie-Happenings aus. Viele Tanzszenen

 
 

No, he´s not the Pinball wizzard....
He´s the wizzard of the souls...

Chor:

Help us, Me-Ti! Save us, Me-Ti! Let us lay our burden on you. Feed us, Me-Ti! Lead us, Me-Ti! We want to depend on you!

Eine Frau:

Help me Me-Ti, save me Me-Ti
My daughter lies in bed all day
She tells me that she doesn t love me
She never listens to what I say

Eine andere Frau:

My husband works, works all through the week
For a better life one day
He never asks me for what I'm searchin' for
He never listens to what I say!

Ortswechsel: Me-Ti und seine palmzweigwedelnden Anhänger in einer U-Bahn. Eine Frau wäscht seine Füße, eine andere salbt sein Haupt.

 

Help us! Save us! Feed us! Lead us! Free us! MONEY! Love us!

Help us, Me-Ti! Save us, Me-Ti! Let us lay our burden on you.
Feed us, Me-Ti! Lead us, Me-Ti! We want to depend on you!
 
 

Ortswechsel. Auf einer Waldlichtung. Höhepunkt der Tanzszenen. Viele Schnitte. Steigerung dem Ende zu.

Chor:

Help me, Me-Ti! Save me, Me-Ti!
Feed me, Me-Ti! Lead me, Me-Ti!
Free me, Me-Ti! Make me money, Me-Ti!
Love me, Me-Ti! Care for me, Me-Ti!
 

Help us! Save us! Feed us! Lead us! Free us! MONEY! Love us!

Großaufnahme eines Schafes, das an einer weißen Lilie knabbert.

 

 

5.4 Bibliothek
 

Schnitt: Me-Ti wälzt in einer Bibliothek dicke Bücher, u.a. Nietzsche, Marx und Feuerbach.

Erzähler klappt ein Buch zu, blickt in die Kamera:

Wie gesagt: Me-Ti hatte - was seine messianischen Wunderkräfte betraf - einige nicht unbedeutsame Schwierigkeiten. Aber das war nicht der einzige Grund, der ihn davon abhielt, sich öffentlich als "Sohn Gottes" zu proklamieren. Zu den praktischen Schwierigkeiten gesellten sich erkenntnistheoretische, sogenannte epistemologische Barrieren, denn Me-Ti war sich im Klaren darüber, daß man als Mensch über Gott und das Jenseits nichts Wahres aussagen könne.
 

5.5 Am Feuer
 
Schnitt: Me-Ti sitzt im Kreise seiner Schüler und Schülerinnen an einer Feuerstelle. Er redet wild gestikulierend auf sie ein.

Me-Ti:

"Mißtraut denen, die da sagen,
Daß Gott auf ihrer Seite steht.
Sie sind nur so nah ihrem Gott,
Weil sie so fern dem Menschen sind.

 
Wahrlich: Das jenseitsgetrübte Auge,
Übersieht allzu gerne
Das Unrecht im Diesseits!
Ihm verklärt sich
Das Leid zur Freude,
Das Verbrechen zur Heldentat,
Das Joch zum Siegessymbol.

 

Jünger:

Äh, wie bitte?

 

Kameraschwenk auf Erzähler, der ebenfalls an der Feuerstelle sitzt.

Erzähler:

Wie heißt es so schön? Perlen vor die Säue! Me-Tis Beteuerungen halfen nichts. Im Gegenteil: Je mehr er sich dagegen wehrte, als Auserwählter Gottes bezeichnet zu werden, desto mehr waren seine Anhänger von seiner göttlichen Herkunft überzeugt. Nebenbei: Ein altbekanntes religiöses Problem, das schon den armen Brian zur Weißglut trieb.
Me-Ti wollte sich damit aber nicht abfinden. Er nahm sich vor, die verhängnisvollen Irrtümer seiner Anhänger in einem Gleichnis zu thematisieren. Und so schrieb er einen wunderschönen Protestsong mit dem einprägsamen Titel ... äh, eben hatte ich doch noch...

Der Erzähler tastet sein Gewand vergeblich nach Taschen ab.

"Verdammt noch mal, hätte man mit in dieses bescheuerte Kostüm nicht vielleicht eine Tasche einnähen können? Regie, hallo! Wie hieß dieser verdammte Song noch mal?

Von oben fällt ein Granitblock herab, der ein halbes Dutzend Me-Ti-Jünger unter sich begräbt. Er trägt die Inschrift: "Exkurs zur Internalisierung kapitalismusimmanenter Verdinglichungsprozesse". Kamera zurück auf Erzähler

... ja richtig ... "Exkurs zur Internalisierung kapitalismusimmanenter Verdinglichungsprozesse". Wie dem auch sei: Da kaum jemand hinter den Sinn des Ganzen stieg, konnte sich der Song fünf Monate lang an der Spitze der Internationalen Charts halten. (Besonders beliebt war dabei der "Anthroposophische Ringelsockenparty-Mix (das Cover in pastellrosa dazu ein Videoband mit überaus verwegenen Eurythmie-Übungen, kurzum: ein absoluter Kracher...).

 
 

 5.6 Videoclip

Im Videoclip werden die im Song besungenen Szenen nachstellt, jedoch in pastellrosa und mit Eurythmie-Übungen angereichert.

 

Song: Exkurs zur Internalisierung kapitalismusimmanenter Verdinglichungsprozesse (Possession orientated Love)

 

Mary Smid was the kid
I met in the sand-pit
With a big banana-split
She said:
Man, wont you taste a bit?
 
I was a well educated man
Five years old and an ice-cream-fan
With a smile of a self-assured business-man
I took the ice ate it up,
But then
 
Then she said:
 
Now I’ve got ya
I never let you go :II
Build me sand-castles
Call me mistress
You’ll get
Sweet ice-cream-kisses
But I said
Spare me, oh Lord spare me, yeah
Spare me your possession orientated love
 
Sandy Border was a farmers daughter
I met her at a cattle-slaughter
Between screaming pigs and cows
I taught her
What it means to love a man
 
Her eyes were blue
My love was true
I said: oh my Darling, what can I do
How can I show that I love you
And baby don’t you love me, too?
 
She said:
 
Now I’ve got ya
I never let you go :II
Milk the cows
Sweep out the shed
You’ll get a
Sweet woman in bed
But I said
Spare me, oh Lord spare me, yeah
Spare me your possession orientated love
 
 
Met a Church-man
A monk, not a monkey
I asked him: What can I do?
He led me
To a Place of milk and honey
And said: The Lord will help you
 
And do you know, what HE said to me?
Do you know? Yes, I think you know it!
 
Do you na-na-na-na-na-na-na-na-na, Do you know it?
Do you na-na-na-na-na-na-na-na-na, Do you know? :II

Yes, indeed. The Lord said to me:

Now I’ve got ya
I never let you go :II
Pray from seven
Till eleven
You’ll get a
Bungalow in heaven
But I said
Spare me, oh Lord spare me, yeah
Spare me your possession orientated love
Spare me, spare me, spare me your love!!

 
 

5.7 Im Haus der Familie Bretoni

 
Me-Ti sitzt am Fenster. Vor ihm steht der Erzähler und spricht in die Kamera.

Erzähler:

Me-Ti war sehr besorgt über das Verhalten seiner Anhänger, die von morgens bis abends vor seinem Fenster für ihr ewiges Seelenheil beteten. Das war nicht nur politisch fatal, sondern auch für Me-Ti persönlich höchst unangenehm.

Kamera auf Me-Ti, der eine starke allergische Reaktion im Gesicht aufweist.

Erzähler:

Denn Me-Ti war gegen Weihrauch so allergisch wie andere gegen Katzenhaare und zudem ging ihm das ständige "Hosanna, Hosanna", das erklang, sobald er sich dem Fenster näherte, doch ziemlich auf die Nerven.

  


 

6. 3.Akt (Mitte)  

6.1 Nacht. Rotlichtbezirk

 
Me-Ti, der dank eines langen Mantels, einer Sonnenbrille und einer Mütze kaum zu erkennen ist, schleicht durch den Rotlichtbezirk, vorbei Nutten und Strichern, die ihre Dienste anbieten.
Erzähler (nun im Trenchcoat):

Darum schlich er sich immer häufiger in die zum Rot-Licht-Bezirk avancierte Hafengegend am anderen Ende der Stadt, wo ihm der Fischgeruch bodenständiger Menschen entgegenwehte. Es war merkwürdig, aber Me-Ti hatte hier das starke, wenn auch unbestimmte Gefühl, der Wurzel seiner Existenz näher zu sein als in den Tempeln des Geistes, in denen die Elite nach dem Ursprung des Seins suchte.

 

 

6.2 Clip: Red light district

Das Grundthema des Songs (Doppelbödigkeit bürgerlicher Sexualmoral) manifestiert sich im Erscheinungsbild der Sängerin, die anfangs in einem strengen grauen Frauenkostüm auftritt, sich dann aber mehr und mehr von dem sexuellen Treiben ihrer Umgebung einfangen läßt. In der Mitte des Songs ist sie (auch optisch) gespalten: rechts: grau, zugeknöpft, verkniffen, Haare streng zusammengebunden; links: lasziv geschminkt, tief geschlitztes Kleid, Haare offen

Der Clip sollte sich insgesamt durch offene Darstellung von homo- und heterosexueller Erotik auszeichnen, er sollte ZuschauerInnen durchaus erregen können, allerdings ohne hierbei die Geschlechtsrollenstereotype "normaler" pornographischer Darstellungen zu verwenden...

Wichtig: Steigerung des Tempos gegen Ende des Songs...

 

Song: (Red-light District)
Steppin' into the red-light-districts
where dreamin' stops
No more gazin’ into moonlight
Now you're gonna see some down-to-earth jobs
("blow-job")
The ones, you wouldn’ t know how to spell
Disgusting
 
Now, didn't your mama tell you ,too
that it's naughty and disgustin'
funny, you could meet your neighbour here!
(just lookin’, just lookin’)
or maybe some of your own fantasisin'
the one's you wouldn't know how to spell
Disgustin' !
 
 

6.4 Rotlichtbezirk. Vor dem Eingang zu Samantha´s Sexshop

 

Me-Ti zieht seine Mutter Ann-Marie, die ihm eher widerwillig folgt, in den Eingang von Samantha´s Sexshop.
Davor steht der Erzähler, der wie ein Reporter in die Kamera spricht.

Erzähler:

Eines Tages überredete Me-Ti seine Mutter dazu, mit ihm zusammen eines jener kleinen, miesen Sex-Geschäfte der Hafengegend aufzusuchen. Ann-Marie, die eigentlich den Geruch des Eros nicht ertragen konnte, folgte ihrem Sohn, denn sein Wort war ihr heilig.
Sie betraten "Samantha's Sex-Shop".

Kamera zeigt wie Ann-Marie und John den Sexshop betreten.

 

 

6.5 Samantha´s Sexshop

 
Me-Ti und Ann-Marie befinden sich nun im Inneren des Sexshops. Samanthas Sexshop ist ein SM-Laden der härteren Sorte und gleicht eher einem Gruselkabinett. Kamera heftet sich an Ann-Marie, die entsetzt das Ladeninventar beäugt.
Kameraschwenk auf den altgewordenen John, der in SM-Kluft plötzlich vor Ann-Marie erscheint.

John:

"Womit kann ich dienen? Wir führen Peitschen, Ketten, Fesseln, Gummischwänze aller Art. Schauen Sie sich zum Beispiel diesen Vollgummi-Pint an. Ich sage ihnen, die Noppen ..."

Plötzlich stockt John. Er geht auf Ann-Marie zu.

John:

Verdammt! Wenn das nicht Kusine Ann-Marie ist! Hey, erkennst Du mich nicht? Ich bin's, Cousin John."

Er dreht sich unvermittelt um.

John:

"Sam! Sam! Komm her, wir haben Besuch!"

 
 

6.6 Be my slave tonight. Sexshop

 

Samantha erscheint peitscheschwingend in enger Dominakluft, zwingt John in die Knie, stellt ihren Absatz auf seine Finger, stranguliert, foltert und demütigt ihn auf jeder erdenkliche Weise.

 

Sam:

Be my slave, be my slave tonight
Feel the pain, feel the thrill
Hey honey, you got no place to hide
This night is mine and you’ll pay the bill
 
Hear the crack, the crack of my whip
I will treat you like a dog
Honey, it´s too late for you now
Feel the heat, I´m ready to rock.
 
Well my love takes all you have
And it costs all that you are
 
Be my slave, be my slave tonight
I´ll give you more than you can take
I´ll punish you for the things that you dream
And for the things you do awake
honey, be my slave
 
I give you love that brings you down
That makes you scream to the sky
Well, you know that love can make you blind
And tonight you will loose your eyes
 
Hey honey, I´m out of control
I will hurt you to the bone
I will kick and beat and make you bleed
And then I leave you alone
 
Well, my love takes all you have
And it costs all that you are
Be my slave, be my slave tonight
I´ll give you more than you can take
I´ll punish you for the things that you dream
And for the things you do awake
honey, be my slave
 
Solo
 
Be my slave, be my slave tonight
I´ll give you more than you can take
I´ll punish you for the things that you dream
And for the things you do awake
honey, be my slave
Be my slave, be my slave tonight
be my slave, be my slave...
 
Well, my love takes all you have
And it costs all you are
Be my slave, be my slave tonight
I´ll give you more than you can take
I´ll punish you for the things that you dream
And for the things you do awake
honey, be my slave
 

 6.7 Sexshop

 

John erhebt sich aus seiner Demutsposition.

John:

"Echt starker Auftritt, Sam."

Sam:

"Schnauze, John"

Sie wendet sich Ann-Marie zu:

"Er ist ein gottverdammter Vixer!"

John (ungerührt):

"Sam, sagte er, darf ich vorstellen, das ist meine Kusine Ann-Marie:...

John macht die Geste eines Showmoderators:

... einst die Oberkeusche vom Dienst und heute mit ihrem jungen Stecher im Sexshop!!

John tänzelt. Showlicht.

Kamera auf Ann-Marie, die kühl bleibt :

"Ich muß Dich enttäuschen, John, das ist mein Sohn Me-Ti!"

John wendet sich Me-Ti zu:

" He, he, ziemlich blöder Name, was Kumpel?"

John lacht und schlägt Me-Ti auf die Schulter. Samantha fährt dazwischen:

"Schnauze, John!"

Sie wendet sich Me-Ti zu.

Sam:

"Me-Ti? Ha! Aber klar doch! Hab Dein Bild in ‘ner Illustrierten gesehn! Hey, Mann, warte mal 'nen Moment!"

Sam geht auf Me-Ti zu, drückt ihm einen Dildo in die Hand. Sie gibt John einen Wink, worauf der in ein Nachbarzimmer eilt und mit einem Fotoapparat zurückkommt. Sam hat sich neben Me-Ti in Pose gesetzt, bringt ihre Haare in Ordnung und blickt lasziv in die Kamera. Doch noch bevor John abdrücken kann, hat sich Ann.Marie vor die Kamera gestellt.
Kamera während dieser Aktion aus der Perspektive von Johns Fotoapparat.
Ann-Marie:

"John, ich warne Dich! Ich werde es auf keinen Fall zulassen, daß Du dem guten Ruf meines Sohnes Schaden zufügst!"

Ann-Marie bedeckt die Kamera mit ihren Händen.
Schnitt: Wieder objektive Kamera, die auf John gerichtet ist.
John:

"Okay, okay. Nur keine Aufregung. War nicht so gemeint. Ehrlich!"

Die Kamera illustriert, was der Erzähler im Folgenden sagt (Rückblenden).

Erzähler:

John legte die Kamera beiseite, drehte sich eine Zigarette und blickte grinsend zu Ann-Marie hinüber. Rund dreißig Jahre hatte er sie nicht mehr gesehen. Nicht daß er sie vermißt hätte. Nein. Aber es amüsierte ihn, daß er sie ausgerechnet in einem Sexshop - seinem Sexshop - wiedertraf: Kusine Ann-Marie - die Unberührbare! Er hatte immer einen großen Bogen um sie gemacht, denn er hielt sie für gefährlich. Ganze Kolonien von Männern hätte sie mit ihrem Weihwasserparfüm in die Impotenz treiben können, meinte John. Darum hatte er es einst auch als einen Akt wahrer Nächstenliebe empfunden, als er hörte, daß Ann-Marie, aus der Not eine Tugend machend, ihr Leben in klösterlicher Abgeschiedenheit verbringen wollte. Aber - wie es nun schien - war da etwas Ungeheuerliches dazwischengekommen. John konnte es nicht fassen: Welcher gottverdammte Potenzprotz hatte es geschafft, diesen Keuschheitsgürtel mit seinem Speer zu durchdringen? Wie war es ihm gelungen, mit Ann-Marie zu schlafen, ohne vorzeitig zu erschlaffen? John mußte herausfinden, wer dieser Sportsmann war. Er fragte Ann-Marie nach dem Vater ihres Sohnes. Dabei war er - wie immer - sehr höflich und zurückhaltend.....

John

Kenn' ich den Schwanz, der Dich bekehrt hat?"

Trash. Rasante Aufeinanderfolge von Phallusfiguren.
Schnitt: Kamera auf Ann-Marie, die mystisch erleuchtet ist.
Ann-Marie (Rezitativ):

"Me-Ti hat keinen irdischen Vater! Ich habe ihn unbefleckt empfangen.
Er ist Gottes Sohn, er ist Gottes Sohn, er ist Go-o-o-o-ottes, Gottes Sohn!",

Kamera auf John:

"Ah..., Gottes Sohn..."

Kamera auf Erzähler:

Das verschlug selbst John die Sprache. Aber er fand sie recht schnell wieder.

Kamera auf John:

"Aber na, klar doch! Daß ich nicht selbst darauf gekommen bin! Das erklärt natürlich alles! Doch bitte, Ann-Marie, verrat' mir eins: Wie hat Gott es Dir gemacht?

Von hinten?

Ooooh...

Schnitt: Ann-Marie nackt auf dem Bauch liegend.

Von vorn?

Ooooh....

Schnitt: Ann-Marie nackt auf dem Rücken liegend.

Oder hat seine Allmächtigkeit gewichst und heimlich, in der Stille der Nacht, sein göttliches Sperma zwischen Deine keuschen Beine gespritzt?"

Schnitt: Ann-Marie in der Dunkelheit im Bett liegend, Sie dreht sich wild im Bett hin und her.

Chor:

Between the legs...

Kamerafahrt ihre Beine entlang nach oben. Überblenden von Ihren Schamhaaren auf die Brusthaare Johns. Wir hören lautes Lachen. Kamera fährt in die Totale. John schlägt sich vor Vergnügen auf die Schenkel. neben ihm steht der Erzähler, der in Richtung Kamera spricht.

Erzähler:

John schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel und begann hysterisch zu lachen. Doch plötzlich hielt er inne.

Großaufnahme von Johns Augen.

Erzzähler:

Er blickte Me-Ti scharf an und fragte ihn nach dem genauen Datum seiner Geburt.

Großaufnahme von Me-Tis Augen.

Me-Ti, der die ganze Zeit über das Geschehen amüsiert beobachtet hatte, gab bereitwillig Auskunft.

Kamera zeigt Johns Gesicht, das sich nach einigem Stirnrunzeln merkwürdig erhellt.

John runzelte die Stirn. Er schien zu rechnen, was ihm sichtlich schwerfiel. Doch auf einmal erhellte sich sein Gesicht.

 

 

6.8 The Seed, Part 2

 

Wir sehen abermals die Befruchtungsszene aus 3.4 (The seed, part 1). Einmodduliert ist diesmal John.

The seed of life is quite slimy
and gave the spark of Life to Me-Ti

Schnitt: Nun sehen wir John auf der Rosa BlümchenToilette seines Großonkel Henry.

Geld schneit von oben auf ihn herab. Exotische Frauen erscheinen, reichen ihm Sekt und füttern ihn mit tropischen Früchten.

John is a jerk!
His greed has always won
As society's clerk
he needs MONEY to have some fun.

Kamera auf Ann-Marie und Me-Ti, die sprachlos und unbeteiligt dem Treiben zuschauen

Oh, he needs money to have his fun
Here comes the truth.......

Schlußeinstellung: Großaufnahme von Johns vollgestopften Mund. Überblende zum Mund des Erzählers.

 

6.9 Sexshop

 Erzähler:

Johns Augen funkelten böse.

Kameraschwenk auf John.

John:

"Me-Ti! Ich weiß, wer Dein Vater ist!"

Er wendet sich Ann-Marie zu.

John:

"Du erinnerst Dich doch an den achtzigsten Geburtstag von Großonkel Henry ?..."

Kamera auf Erzähler. Das Folgende wird anhand rascher Bilderfolgen (Zeitraffer) dokumentiert.

Erzähler:

Und John erzählte ausführlich und mit sichtlich großem Genuß die ganze Geschichte - von dem opulent gefüllten Kaffeetisch, den ermüdenden Tischgesprächen, von rosa Blümchen- Kacheln und von den Freuden der Onanie.
Als er seine Ausführungen beendet hatte, brach Ann-Marie zusammen.
Sie wurde in ein Sanatorium eingeliefert und lebte dort bis zu ihrem Tode im Zustand geistiger Umnachtung.
John verkaufte seine Story exklusiv und für viel Geld an eine große Boulevardillustrierte und hielt (mit "Schnecke" Samantha an seiner Seite) Einzug in die feine Gesellschaft.
Me-Ti versuchte weiterhin, die Menschen davon zu überzeugen, wie notwendig eine radikale Veränderung ihrer Lebens- und Denkgewohnheiten sei. Aber er wurde nicht mehr ernstgenommen. Seine Schüler wurden verlacht, seine Werke verbrannt. Und so beschloß Me-Ti am Ende resigniert, seine Koffer zu packen. Er kehrte der sogenannten Zivilisation den Rücken und zog in den Himalaja, wo er sein Leben und seine Stellung zur Welt neu überdenken wollte.     


 

7. 3.Akt (Ende)

  

7.1 Einöde
 

Me-Ti sitzt im Lotussitz inmitten von Nebelschwaden und geheimnisvollem blauem Licht.

Ooooommmmmm

Erzähler:

Doch selbst dort, in den unendlichen Weiten des Himalaja fand Me-Ti seine innere Ruhe nicht wieder. Die bitteren Spottgesänge, die er hatte über sich ergehen lassen müssen, konnte er nicht so einfach vergessen...

 

 

7.2 Pranger

 

Me-Ti am Pranger, von faulem Obst beworfen. Die um ihn versammelte Menge lacht ihn aus und schunkelt zur Musik der aufmarschierenden Blasmusik-Kapelle.

 

Did you read the news this morning?
The messiah is a toilet seat’s son!
So let us forget his stupid warnings,
All he’d said and done!!
He’ s a toy...
He’s a toy :II
He’s a toilet seat´s son...
No! He`s not a holy man! - He's a toilet seat's son. :II
T-t-t-t-t-t-t-t-t-t, He's a toilet seat's toilet seat's son.
Seat's son, seat's son, seat's ...
 

 7.3. Einöde

 

Kamera auf den verzweifelten Me-Ti

Me-Ti:

Son!

Me-Ti schaukelt hin und her wie ein autistisches Kind. Kamera fährt auf seine Augen zu. Bild verschwimmt, Übergang zu 7.4

 

 

7.4 Labyrinth

 

Me-Ti dreht völlig durch. Er rennt durch ein Labyrinth, an dessen Wänden sich golden glitzernde Toilettenbrillen befinden. Er greift sich eine, legt sie sich um den Hals und wird von ihrem imaginären Gewicht zu Boden gedrückt.

 

7.5 Riesenklo

 

Me-Ti tänzelt verwirrt auf dem Klobrillenrand eines gigantischen Riesenklos, verfolgt von einer bedrohlich vergrößerten Klobürste.

 

M-m-m-m-m-m-m-m-m-m-m-m ...
M-m-m-m-m-m-m-m-m- MAD!
MAD, MAD! MAD, MAD!..
 

Getroffen von der Bürste stürzt Me-Ti in das Riesenklo, rutscht durch das Abflußrohr in die Tiefe. Psychedelic-Effekte.

 

7.6 Einöde

 
Me-Ti wird aus dem Rohr herausgeschleudert, läuft wild umher, gestikuliert irre, reißt sich die Kleider vom Leib.
Im Vordergrund erscheint der Erzähler:
 

 

Where is a solution,
Where is a way out!
Lord, Lord, Lord
Show me the way!!

Me-Ti schmeißt sich auf den Boden, wölbt sich im Takt der Musik.

Abrupte Stille. Die Kamera fährt um Me-Ti herum, der regungslos in Embryonalhaltung auf dem Boden liegt.
Eine Zeitlang passiert nichts. Dann erklingen Sphärenklänge. Die Kamera schwenkt langsam in die Höhe. Am Horizont erscheint eine gigantische, geheimnisvoll illuminierte Toilettenbrille. Sie kommt näher.

Erzähler aus dem Off:

- Und tatsächlich:
Me-Ti wurde erhört!!
GOTT erschien ihm in Gestalt einer GHEIMNISVOLL ILLUMINIERTEN TOILETTENBRILLE ...

 

Die merkwürdige Lichterscheinung bleibt über Me-Ti stehen. Me-Ti öffnet die Augen, richtet sich langsam auf, streckt die Hände in Richtung der Erscheinung.

 

"Ein Zeichen, oh Gott, ein Zeichen!" stammelte Me-Ti tief ergriffen.
Er, der solange durch die Nacht, die Finsternis der Verzweiflung und Verwirrung gewandert war, erblickte nun das reinigende Licht göttlicher Erkenntnis, sah nun doch noch eine Möglichkeit, seine Mission zu erfüllen.
Er hatte eine Idee, eine grandiose Idee, unzweifelhaft göttlich inspiriert! Dessen war er sich sicher...

 

Zu triumphaler Musik nimmt Me-Ti die Energie der Erscheinung auf. Sein Haupt ist erhoben, Seine Augen glänzen. Pausbäckige Engel erscheinen und trompeten zum Lobe des Herrn.  

7.7 "Holyloo"

Rückblende auf die Geschichte, Bilder ineinander montiert.
Mit Übergang zu Gospel zunehmend Bühnenaction
Tanzszene

 

Holyloo, Holyloo, Holyloo, Holylooja....
An idea is born, an idea is born, Holylooja
Holyloo, Holyloo, Holyloo, Holylooja....

 

    


8. Epilog  

8.1 Bühne

Erzähler:

Epilog
 

Erzähler schlägt auf den Gong. Fanfaren erklingen. Kameraschwenk: Das WC-Häuschen wird von zwei Blondinen im Klitzerkostüm hereingefahren. Sie öffnen die Tür. Wir sehen Me-Ti, der wie Zappa auf dem Klo sitzt. Die Tür wird wieder geschlossen und der WC langsam um die eigene Achse gedreht. Die Tür wird wieder geöffnet. Wir sehen nun den Erzähler, der im weißen Kittel nach vorne kommt.

Erzähler:

Vor zwei Jahren kam Me-Ti aus der Emigration zurück und gründete eine SANITÄRFIRMA. Wie man hört, ist er bei seinen Angestellten außerordentlich beliebt, eine Sache jedoch sorgt bei ihnen für ziemliche Verwirrung: Hat die Firma "Sanitär-Bretoni" nämlich gerade eine öffentliche Bedürfnisanstalt fertiggestellt (auf ebensolche hat sich die Firma weitgehend spezialisiert), so soll sich, wie man mir sagte, stets die gleiche, merkwürdige Zeremonie abspielen. Vorgestern konnte ich sie selbst beobachten...

Kamera wird unscharf. Blende nach 8.2

 

8.2 Damentoilette

 

Durch einen Türspalt beobachtet die Kamera wie Me-Ti aus einer Toilette heraustritt, sich vor ein Waschbecken niederkniet und meditiert.

Erzähler:

Me-Ti hatte sich auf der Damentoilette eingeschlossen und kam erst eine knappe Stunde später wieder zum Vorschein. Er kniete sich reichlich erschöpft vor das Waschbecken, wo er ungefähr zehn Minuten still meditierte.

Tür wird geöffnet, die Kamera fährt auf Me-Ti zu, der langsam aufsteht.

Erzähler:

Ich ging zu ihm hin und fragte ihn, was er denn mit diesem seltsamen Tun bezwecke. Er blickte mir tief in die Augen und sprach:

Me-Ti steht vor dem Waschbecken und breitet die Hände aus:

"Siehe:

Ich bin der gute Sämann.

Ich werfe den kostbaren Samen aus.

Ach, möge ein gnädiger Gott gewähren,

Daß er auf fruchtbaren Boden fällt."

Kamera auf Erzähler, der in der Rückblende lautlos "Amen" sagt .

Erzähler:

"Amen", sagte ich verwirrt.

Kamera auf Me-Ti, der ebenfalls in der Rückblende lautlos "Amen" sagt.

Erzähler:

"Amen", sagte auch Me-Ti und sein Lächeln spiegelte sich sanft in einem Meer von ROSA BLÜMCHEN-KACHELN...

Die Kamera schwenkt über Me-Tis Schultern hinweg auf Rosa Blümchen Kacheln. Unmittelbarer Übergang zu 9.

 



  9. Finale

 

9.1 Bühne
 

Kamera auf Rosa Blümchen Kacheln gerichtet. Rasante Kamerafahrt aus dem Bühnen-WC-Häuschen heraus auf die Bühne der Freak-Party. Das WC-Häuschen explodiert. Kameraschwenk auf Sängerinnen. Tanzszenen.

 

Break the, Break the chains
Break the, Break the chains
Break the, Break the chains
We got to break, got to break...

 
The last day on earth won`t seem odd
Just another day that we pray to God
That he`d kindly help us out of our own mess
For this we use our breath
Our Children must pay the debts
 
The wars,they will continue
Till the whole shit's cleared away by me and you
It will never be stopped by the few who rule!
Still we`re the ones to blame
We got to break the chains!

 Kamera abwechselnd auf das Freak-Publikum und das Bühnengeschehen:

We got to break, break the chains
We got to break, break the chains
We got to break, break the...
we got to break
we got to break the..
Break the, Break the chains
Break the, Break the chains
Break the, Break the chains
We got to break, got to break...
 
Take a breath and look ahead
The things you miss are burning in your chest!
Saying"No!"and saying"Spare us from this!"
We need to save each other-
We`re sleeping under one cover!!
 
We need to change the world`s mess
Cause we`re the ones to blame
To wipe out the distress
We got to break the chains.
 
We got to break, break the chains
We got to break, break the chains
We got to break, break the...
we got to break
we got to break the..
Break the, Break the chains
Break the, Break the chains
Break the, Break the chains
We got to break, got to break...
 

Schnitt. Hippies gehen auf Soldaten zu, stecken Blumen in ihre Gewehrläufe. Schnitt. Jüdische Siedler werfen ihre Gewehre weg, Palästinenser lassen ihre Steine fallen. Die ehemals verfeindeten Menschen umarmen sich herzlich.

Schnitt. Bunte Freak-Demo in einer Großstadt. Eine Frau spricht durch ein Megaphon:

"We disdain to conceal our views and aims. We openly declare, that their ends can be attained only by the forcible overthrow of all existing social conditions. Let the ruling classes tremble at a global revolution. We have nothing to lose but our chains. We have a world to win."

Bürgerlicher Mann am Straßenrand winkt mit Goldkettchen:

Hey don't you know, our chains are golden!

Frau mit dem Megaphon:

Maybe, but that doesn't matter. Even golden chains are nothing but chains! So break them!
Break!!

 

Schnitt: Hippies haben die großen Aktien-Börsen gestürmt, demolieren die Computer und tanzen aufreizend vor den verstörten, entmachteten Aktienhändlern.

Schnitt: Andere reißen Mauern und Grenzbefestigungen ein. "Wirtschaftsflüchtlinge" (sprich: Menschen aus den ausgebeuteten, armen Regionen der Erde) werden mit offenen Armen empfangen und reich beschenkt.

We got to break
We got to break :II
 

 Schnitt: Eine Jesusfigur am Kreuz verwandelt sich in den leibhaftigen Jesus. Er befreit sich von Fesseln und Nägeln und steigt das Kreuz herab. Eine Mohammed-Figur (Mohammed schwertschwingend auf einem Pferd) verwandelt sich in den Original-Mohammed. Er wirft das Schwert weg und steigt vom Pferd ab. Auch eine Buddha-Figur verwandelt sich ins Original. Buddha steht aus dem Lotussitz auf und streckt grinsend die Hand aus. Jesus und Mohammed schlagen ein. Die drei Religionsstifter umarmen sich gegenseitig. (Das Ganze sehr, sehr kitschig)

 

We got to break, we got to, got to break
We got to break, we got to break... :II

 

Schnitt: Das Party-Publikum feiert mit den Darstellern des Comicals. Kameraschwenk auf die Bühne, wo Jesus vor den Augen von Me-Ti, Buddha und Mohammed seinen Trick mit der Verwandlung von Wasser in Wein versucht. Jesus reicht den Kelch an Mohammed, der das Getränk freundlich dankend ablehnt. Buddha greift aber zu, hebt den Kelch, trinkt einen Schluck, prustet aber das Ganze sofort wieder aus. Jesus zuckt etwas verlegen mit den Achseln. Alle lachen. Kameraschwenk auf die Freaks, die frenetisch feiern sowie auf den grauen Alten, der mit weitaufgerissenen Augen bewegungslos auf seinem Sitz verharrt.

 

Break, break, break, break, break, break
Break, break, break, break, break, break :II
Break, break, break, break, break the chains

Break the chains, break the chains!

 

 

 


10. Nachspiel

 
 

10.1 Zimmer des Alten
 

Ende der Traumsequenz. Wir befinden uns wieder in der Realität, im Raum des grauen, alten Mannes. Die Platte, die der Mann zu Beginn aufgelegt hatte, ist am Ende angelangt. Wir hören nur das ständig wiederkehrende Geräusch des Plattenspielers. Großaufnahme der Nadel. Tristes Schwarzweiß. Plötzlich erscheint eine Hand (farbig). Die Nadel wird beiseite geschoben. (Auch sie wird farbig) Die Platte wird sorgfältig entfernt und in einen Schutzumschlag gesteckt. Die Kamera fährt zurück: Wir sehen das kleine Hippiemädchen, das die Platte einsteckt und lächelnd den Raum verläßt. Kameraschwenk auf den leeren Schaukelstuhl. Weiterer Kameraschwenk durch das Zimmer. Plötzlich - in der Höhe von ca. einem Meter- entdecken wir Füße. Die Kamera fährt in die Totale. Wir sehen den grauen, alten Mann, der offenkundig Suizid begangen hat. Um ihn herum löst sich langsam das Grau in Grau auf. Farbige Blüten entstehen auf den einst so grauen Wänden. Das Bild wird immer bunter und lebendiger. Die in der Traumsequenz noch gefesselten und verängstigten Kinder (Szene 1.2) nehmen lachend den Raum in Beschlag und spielen unbeschwert. Der graue Mann verblaßt indes langsam. Am Schluß ist er nicht mehr zu sehen.

 

10.2 Abspann

 
Zum Song "Postreligious" folgt der Abspann mit den Namen der Mitwirkenden usw. Dazu gibt es einige markante Foto-Highlights des Films.

 

Song: Postreligious

 
Sie reden in Zungen
Und brummeln Texte
Stundenlang vor sich her
Sie sprechen gern von Liebe
Und Barmherzigkeit
Doch das Morden fällt ihnen nicht schwer
Denn sie sehn in ihren Opfern Tiere
Wilde Tiere ohne Sitte
Die man ausrotten kann
Du wirst dran glauben
Oder glauben
Ist ihr Wahlspruch
Und den -
Wenden sie an
 
Millionen Opfer sind das Zeugnis
Ihrer Liebe
Ihrer Barmherzigkeit
Bleibt mir vom Leib mit eurem Glauben
Eurem Heiligenschein
Eurer Scheinheiligkeit
 
Postreligious
Not superstitious
Wouldn’t it be delicious
To live in a postreligious world?
 
Offenheit statt Offenbarung
Wäre ein Ausweg
Doch den
Schlagen sie nicht ein
Religiöse Trottel sind auf dem Vormarsch
Sie wollen glauben
Für Argumente ist hier Hirn zu klein
Drum laßt euch nicht infizieren
Von dem Virus der Religion
Und laßt euch nicht beherrschen
Von den Frommen
Denn das -
Hatten wir schon
 
Die Blutspur der Religionen
Zieht sich durch die Geschichte
Wie ein roter Faden
Drum sei kein Kind
Laß dich nicht verführen
Von diesen Seligen
Die so arm im Geiste sind
 
Postreligious
Not superstitious
Wouldn’t it be delicious
To live in a postreligious world?
 
Die Geschichte ist ein Grauen
Dank dem Wirken dieser
Jammertals-Fraktion
Sie sind nur gut im Niederknüppeln
Aller Freiheit
Im Namen der -
"Heiligen Tradition"
 
Drum verbieten sie das Denken
Sie indizieren selbst den guten alten Kant
Nun, wenn es einen Teufel gäbe
Er trüge sicherlich ein
Geistliches Gewand...
 
Postreligious
Not superstitious
Wouldn’t it be delicious
To live in a postreligious world?
 

 Ende



Zugabe für die FreundInnen der Zensur:
 

 


home.gif (20220 Byte)

Copyright: M.S.Salomon 1992-98