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Kunstfreiheit im Bereich der Hochkultur
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 enthält eine Garantie der Kunstfreiheit. In Artikel 5 Absatz 3 GG heißt es Kunst und Wissenschaft; Forschung und Lehre sind frei." Die Garantie der Kunstfreiheit gehört zu den Grundrechten. Grundrechte sind unantastbare, unverletzliche und unveräußerliche Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Aufgrund ihrer historischen Entwicklung stellen diese Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat dar. Sie schützen die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen durch die öffentliche Gewalt. Dieses Grundrechtsverständnis, welches aus einem dualistischen Verhältnis von Staat und Gesellschaft enstanden ist, ist in modernen demokratischen Staaten jedoch zunehmend einem Wandel unterworfen. Heute werden aus den Grundrechten, die in der Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz in den Artikeln 1 bis 19 gewährleistet werden, auch Verpflichtungen des Staates abgeleitet, diese Rechte aktiv zu schützen und zu fördern. Die Grundrechte durchliefen eine Entwicklung von bloßen Abwehrrechten der Bürger hin zu so genannten Leistungs- und Teilhaberechten. Die Grundrechten binden also unmittelbar die Gesetzgebung, die Exekutive und die Judikative. In Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes steht geschrieben, dass die Würde des Menschen unantastbar sei und das es als Aufgabe des Staates gelte, sie zu achten und zu schützen. In Artikel 2 des Grundgesetztes wird das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert. Damit wird die Selbstverwirklichung einer Person nach ihren eigenen Vorstellungen garantiert. Aufgrund der Weite des geschützten Freiheitsrechts setzt das Grundgesetz dort Schranken, wo die Rechte Anderer, die verfassungsgemäße Ordung oder das Sittengesetz berührt werden. Die Garantie der Freiheit der Kunst bezieht sich nicht nur auf die künstlerische Tätigkeit selbst, sondern auch auf die Darbietung und Verbreitung der künstlerischen Erzeugnisse. Sie findet ihre Grenzen in der Abwägung gegen andere verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte. Es ist nicht möglich unter Berufung auf die Freiheit der Kunst andere Menschen zu beleidigen oder zu verunglimpfen, da hierdurch die Persönlichkeitsrechte der Personen verletzt werden. Im weiteren Verlauf der Hausarbeit wird an einigen Beispielen deutlich werden, dass die beiden Werte Kunstfreiheit und Perönlichkeitsrechte häufig Anlass für Gerichtsurteile darstellen.
Ein Problem ergibt sich zwangsläufig wenn Kunst als solche als etwas Besonderes und Schützenswertes eingestuft wird. Es muss geklärt werden was letztendlich als Kunst gelten darf und welche Maßstäbe angelegt werden müssen. In Lexika gibt es zahlreiche, variantenreiche Definitionen von Kunst. Die Kunst, zur Meisterschaft entwickeltes Können; im besonderen die bildenden Künste, wie Architektur, Plastik, Malerei, Graphik, Kunsthandwerker, auch Musik, Dichtung, Theater, Tanz. ..."
Eine weiter Definition zeigt bereits, wie unterschiedlich die Vorstellungen von Kunst sind. Unter Kunst versteht man die schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse, und Gedanken des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden."
Es stellt sich die Frage, wer befugt sein sollte über
Kunst oder nicht Kunst zu entscheiden. Vor die schwierige Frage, welche Werke oder
Aktionen noch als Kunst einzustufen sind und welche dieser nicht mehr zugerechnet werden,
sind nicht selten die Gerichte und die ihnen vorsitzenden Richter gestellt. An der
Tatsache, dass zwei verschiedene Richter über ein und denselben Fall vollkommen
unterschiedlich urteilen wird klar, dass die Entscheidungen Ergebnisse von Gratwanderungen
und nicht zuletzt auch der jeweils spezifisch persönlicher Auffassungen von dem was Kunst
ist und was nicht ,sind. In der Bundesrepublik Deutschland besagt das Grundgesetz
außerdem, dass keine Zensur stattfinden darf.(Artikel 5 GG)
Zu unterscheiden ist hier zwischen der prinzipiell unzulässigen Vorzensur und der
Nachzensur, die stattfindet. Ein Beispiel, welches jedoch in seiner Komplexität im Rahmen
einer anderen Hausarbeit geklärt werden wird, ist die Verbreitung jugendgefährdender
Schriften die teilweise starken Einschränkungen von Seiten desGesetzgebers erfährt.
Ein Schädel in dem ein Beil steckt, eine schwangere Nonne mit verklärtem Lächeln oder eine nackte Frau mit gespreizten Beinen.
In diesen Fällen wird die Frage für den Erschaffer der
Bilder oder Fotos eminent wichtig, ob seine Werke als Kunst und somit als der Hochkultur
zugehörig bewertet oder aber der Alltagskultur zugeschrieben werden. Die
Wichtigkeit der Zuordnung ergibt sich aus dem Umstand, dass in der Bundesrepublik im
Bereich der Rechtsprechung ein deutlicher Unterschied gemacht wird zwischen Hoch- und
Alltagskultur. Generell wird der Hochkultur ein weit größerer Entfaltungsspielraum
gelassen als der Allgemein- oder auch niederen Kultur. Die Trennung zwischen dem Bereich
normale" und einer besseren, höherwertigen Kultur wird deutlich.
Hieraus ergibt sich ein geringerer Spielraum für die Massenware Werbung oder bestimmte
Musik. Als Begründung hierfür wird häufig angeführt, dass etwa mit der Werbung eine
breitere und auch weniger gebildete Schicht angesprochen und erreicht wird als mit
Theateraufführungen, Kunstausstellungen oder Dichterlesungen. Rechtliche Grundlage ist
der Artikel 5 des Grundgesetztes der die Kunstfreiheit garantiert.
Die Bilder des Künstlers Timm Ulrichs aus der Anzeigenserie Kunst und Leben"
haben etwa keine Indizierung, noch nicht einmal einen öffentlich bemerkbaren Diskurs
ausgelöst. Die Bilder zeigen allesamt Sequenzen aus pornografischen Filmen. Auf jedem der
ausgestellten Bilder ist neben kopulierenden Paaren allerdings im Hintergrund jeweils ein
bedeutendes Kunstwerk zu sehen, etwa ein Replikat der antiken Statue der Venus von Milo
oder den Sonnenblumen" von van Gogh. Diese Werke konnten nur aus dem Grund
öffentlich ausgestellt werden, da sie als Kunst eingestuft wurden. In der Werbung wären
solche Bilder undenkbar.
Die am Anfang des Textes angesprochenen Bilder wären ebenfalls schwierig in der
Alltagskultur" zu veröffentlichen, da sie jedoch als Kunstwerke der
Postmoderne zugeordnet werden, sind sie ohne Probleme öffentlich auszustellen. Der
Totenschädel auf dem Bild von Jiri Georg Dokoupil Bildnis eines toten jungen
Wissenschaftlers" von 1981 könnte auf einem Plattencover einer Death Metal- Band
unter Umständen Eltern oder andere besonders empfindliche Gemüter auf den Plan rufen.
Auch die Werke Bad Boy" von Eric Fischl von 1981 auf dem sich eine nackte Frau
in aufreizender Pose mit weit gespreizten Beinen vor einem sich entkleidenden Mann auf
einem Bett präsentiert und das Werk Gaukler" von David Salle aus dem Jahr 1986
auf dem das primäre Geschlechtsteil einer urinierenden Frau deutlich zu erkennen ist sind
nur als Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In Bereichen der
niederen" Kultur würden beide Werke wohl als Pornografie bewertet. Laut
Kunstkritikern sind die angeführten Bilder gerade deswegen Kunst, da die offene
Gewalttätigkeit der Bilder beziehungsweise ihre offene Sexualität für die materielle
Seite des Seins eintreten, eine zweite Realität schaffen"
Hier wird deutlich, dass der Kunst unterstellt wird immer noch eine andere Botschaft zu
transportieren, als diejenige, die offensichtlich auf den ersten Blick für jedermann zu
erkennen ist.
Grenzen auch für die Kunst
In der Bundesrepublik Deutschland werden heutzutage auch
künstlerische Arbeiten immer wieder zensiert oder zumindest beanstandet. Häufig wird als
Grund die Verletzung von religiösen Gefühlen angeführt. In diesem Fall kommt dann der
Paragraf 166 zum tragen. §166 beschäftigt sich mit der Beschimpfung von Bekenntnissen,
Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Genau heißt es: Wer
öffentlich oder durch verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder
weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den
öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft." Gotteslästerung auszusprechen oder Gott durch Taten zu
lästern konnte in ganz Europa und somit auch in Deutschland noch bis in das 18
Jahrhundert hinein tödlich enden.
Auch heute noch werden in großen Teilen der Erde, etwa in einigen islamischen Ländern
noch Menschen mit der Begründung hingerichtet, sie hätten Gott gelästert.
Die peinliche Landesgerichtsordnung von Ferdinand dem Dritten aus dem Jahr 1656 ordnete
für Gotteslästerer an das :"Reißen mit glühenden Zangen, dann Riemenschneiden aus
der Haut des Verurteilten, Schleifen desselben auf der Richtstatt, Abhauen der Hände,
Ausschneiden der Zung soweit sie aus dem Hals zu bringen ist, endlich verbrennen des also
Misshandelten"
Auch der Codex juris Bavarici criminalis von 1751 stellte die Regelung auf
Gotteslästerung durch Tätlichkeiten bereits bei Ersttätern mit dem Tode zu bestrafen,
bei Lästerung durch Worte sollte das Verbrechen bei Wiederholungstätern mit dem Tode
geahndet werden.
Im Jahr 1870 trat das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und mit ihm § 166 in
Kraft. Dieser Paragraf wurde 1969 zwar umformuliert ist im Charakter aber gleich
geblieben. Im Grunde ist ein 130 Jahre altes Gesetz in Kraft und dient noch heute dazu
Kirchenkritikern mit bis zu drei Jahren Haft zu drohen. Außer dem Strafmaß hat sich
insgesamt wenig geändert. Eine sarkastische Bemerkung über den Papst, die Kirche oder
ein Kunstwerk mit vermeintlich religiös verhaftetem Charakter ruft noch heute zum Teil
starke Proteste erzkonservativer Bürger oder der Kirche auf den Plan.
Beispiel auch Kunst wird beanstandet
Zensur im Theater
Ein Paradebeispiel für Beanstandungen an Teilen der
Hochkultur stellt der Wiener Aktionismus dar. Vertreter des Wiener Aktionismus sind unter
anderem Hermann Nitsch, Otto Muelh, Adolf Frohner und Rudolf Schwarzkogler, die wahrhaft
orgiastische Materialschlachten inszenieren. In den von ihnen veranstalteten Happenings
kamen massenweise Tierblut, Tiergedärme, christliche Symbole und Erotik zum Einsatz.
Hermann Nitsch inszenierte beispielsweise eine sogenannte 2. Lammkreuzigung" in
Wien mit dem Bibelwort Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige
Leben".
Wegen dieser Verknüpfung wurde mit der Begründung Strafanzeige gestellt, es handele sich
um Verspottung des heiligen Sakramentes der Eucharistie beziehungsweise der ersten
heiligen Kommunion und des Kreuzzeichens, beziehungsweise der Lehren und Einrichtungen der
im Staat anerkannten römisch-katholischen Kirche. Zahlreiche Bürgerinitiativen stellten
Strafanzeigen, die Polizie observierte die Aktionskünstler über einige Zeit und viele
Ämter genehmigten für ihre Gemeinden geplante Abreaktionsspiele" der oben
genannten Künstler nicht. Obwohl gegen Vertreter des Wiener Aktionismus" und
ihre Happenings" kein Urtei erging, wurde so auf dem kleinen" oder
zweiten" Dienstweg indirekt doch Zensur ausgeübt, da den Künstlern mit
teilweise offensichtlich fadenscheinigen Begründungen kleinerer Ämter die Möglichkeit
genommen wurde, ihre Kunst öffentlich zu machen. Zensur kann also auch inoffiziell
geschehen.
In Bezug auf den Wiener Aktionismus" in Verbindung mit Kunst bleibt anzumerken,
dass an diesem Beispiel sehr deutlich wird, wieviel mehr Freiheit die Hochkultur
gegenüber der Alltagskultur genießt. Im Rahmen eines Happenings" unter
Leitung von Hermann Nitsch wurde etwa mehrmals ein (bereits getötetes) Lamm regelrecht
zerrissen. Bei diesem Vorgang, zu welchem unter anderem Bibelworte rezitiert wurden,
spritzte viel Blut. Würde es zum Beispiel die bekannte Bekleidungsfirma United
Colours of Benetton" wagen ein blutiges Lamm in Verbindung mit Christus sowie ihrer
Mode in der Öffentlichkeit zu zeigen, würde dies sicher nur sehr kurze Zeit
unbeanstandet bleiben.
Zensur im Theater ein weiterer Fall
Einen weiteren Fall von Zensur im Bereich des Theaters
stellt das Rock-Musical Das Maria-Syndrom" dar. Das Stück Das
Maria-Syndrom" beginnt in einer mit rosa Blümchen Kacheln ausgestatteten Toilette.
In dieser onaniert John, der als weniger intelligent dafür aber als mit großer Libido
ausgestatter Mann dem Publikum vorgestellt wird. In Folge der auf der Toilettenbrille
zurückbleibenden Spermareste schwängert John indirekt seine Kusine Ann-Marie, eine
jungfräuliche Novizin.
Später im Stück diagnostiziert der Psychoanalytiker Henry Boys, bei der mittlerweile
hochschwangeren Marie, die im erzählt, niemals einen Mann geküßt, geschweige denn
sexuell mit einem Mann verkehrt zu haben" ein sogenanntes Maria Syndrom"
nach einem bekannten historischen Vorbild. Er ist nämlich der Meinung, dass Marie in
Wirklichkeit das Opfer einer Vergewaltigung geworden ist und sich dieses Ereignis nicht
eingestehen kann, da es ihrem Selbstbild so völlig wiederspricht. Er geht davon aus, dass
ihr ganzes Ich diese Situation negieren muss um überhaupt weiter existieren zu können.
Ann-Marie bringt schließlich einen Sohn, Me-Ti, auf die Welt der von seiner Mutter in dem
Bewusstsein erzogen wird, dass er von Gott dazu ausersehen worden sei, die Menschheit von
ihren Leiden zu erlösen. Im weiteren Verlauf der Geschichte, die streckenweise in einem
Sex-Shop spielt, klärt sich die Enstehungsgeschichte Me-Tis auf, was zur Folge hat, dass
Ann-Marie wahnsinnnig wird und Me-Ti sich in den Himalaja zurückzieht. In einem
Wahnsinnsanfall erscheint ihm Gott in Gestalt einer Toilettenbrille, woraufhin Me-Ti
zurückkehrt und eine Sanitärfirma gründet. Für Verwirrung sorgt unter seinen
Angestellten die Tatsache, dass er sich von Zeit zu Zeit auf Damentoiletten zurückzieht
um dort heimlich religiösen Handlungen nachzukommen.
Dabei zitiert er das Gleichnis vom Sämann während sich sein Lächeln merkwürdig
sanft in einem Meer von rosa Blümchen Kacheln wiederspiegelt"
Das hier beschriebene Stück wurde schließlich am 27.05.1994 vom Trierer Ordnungsamt
unter Androhung von Polizeigewalt einen Tag vor der geplanten Uraufführung mit der
Begründung verboten, es handele sich um eine bösartig-satirische Verfremdung der
dem katholischen Glauben eigenen Marien-Verehrung"
Den Antrag auf präventives Eingreifen zur Verhinderung einer Straftat, wobei unter
Straftat das Aufführen des Maria-Syndrom" gemeint war war vom Bistum Trier
gestellt worden, weil angeblich die Gefahr bestünde, dass sie Schutzintentionen des
Paragraf 166 StGB verletzt würden.
Zu dem tatsächlichen Inhalt des Stückes, an dem einige Personen stark Anstoß nahmen,
kam noch, dass der der Autor des Stückes, Michael Schmidt-Salomon, in einigen
Kirchenkreisen kein unbeschriebenes Blatt ist. Er ist unter anderem als politischer
Aktivist bekannt, der schon immer gerne die Kirche aufs Korn nahm.
Zusätzlich zu diesem Ruf verteilte Schmidt-Salomon drei Tage vor der geplanten
Uraufführung seines Stückes auf dem Trierer Kirchplatz vegetarische Hostien",
in denen garantiert kein Jesus" enthalten sei. Die Tatsache, dass er dies an
dem hohen katholischen Feiertag Pfingsten tat und ausgerechnet im tiefkatholischen Trier,
mag die Anklage seines Theaterstückes noch beschleunigt haben. Des weiteren war das Jahr
1994 ein Wahljahr, so dass sich die politische Obrigkeit besonders eifrig auf das sich
bietende Wahlkampfthema stürzte um bei braven Bürgern" auf Stimmenfang zu
gehen. In der Bevölkerung wurde das Stück Maria-Syndrom" als Machwerk eines
Irren", eines Satanisten", eines Schweines", als
Schweinemist" oder als Ekelerregend" bezeichnet. Zusätzlich zu den
angeführten Punkten ist zu bemerken, dass der direkt verantwortliche Politiker in Trier,
der Bürgermeister Dr.Neuhaus, dem christlich-fundamentalistischen Geheimorden Opus
Dei" angehört. Der Gründer des Opus Dei", Josemaria Escriva, wahr
Vertreter der Einstellung, falls die Christianisierung nicht vorankommen würde, sei es
zulässig heiligen Zwang"einzusetzen.
Um ein irdisches Leben zu retten, wendet man unter dem Beifall aller jede mögliche Gewalt an, um den Menschen vom Selbstmord zurückzuhalten. Sollen wir nicht den gleichen Zwang anwenden, den heiligen Zwang, um das Leben vieler zu retten, die idiotischerweise unbedingt den Selbstmord ihrer Seele verüben wollen?"
Bis heute (Stand Juni 2000) darf das Stück Maria-Syndrom" nicht aufgeführt werden. Auf der Internet-Seite http://home.t-online.de/home/M.S.Salomon/ kann der jeweils aktuelle Stand zu dem Theaterstück verfolgt werden. Ebenso wird auf der angegebenen Seite der jeweils neueste Stand zu allen Arbeiten Michael Schmidt-Salomons dokumentiert. Der Autor Michael Schmidt-Salomon widmet auf dieser Homepage das Werk Maria Syndrom" den balls von Frank Zappa", eine Tatsache die vielen seiner Gegner, sollten diese einmal den Weg in das Internet finden, neue Munition liefern dürfte.
Zensur in der Malerei
Ein Künstler, der häufiger mit Zensur in Berührung kam,
war Blalla W. Hallmann, der 1997 verstarb. Er war einer der bekanntesten gegenstandlich
malenden Künstler unserer Zeit. Nach eigener Einschätzung hatte er sich den Kampf gegen
die Doppelmoral der katholischen Kirche auf die Fahnen geschrieben. Deutlich ist in seinen
Werken auch eine Fixierung auf die Themen Christgeburt, Abendmahl, Kreuzigung und
Himmelfahrt zu erkennen und immer wieder werden religiöse Themen aufgegriffen,
überzeichnet und ins groteske gezogen. In seinen Werken ist eine Mischung aus
monströsen Comics und altmeisterlicher Feinmalerei" festzustellen. Gerade
diese Tatsache ist es, die ihm von Gegnern häufig vorgeworfen wird. Sie bemängeln, dass
seine Werke nicht sofort als Trash" wahrgenommen werden, sondern auf den ersten
Blick den Anschein erwecken es handele sich um normale, bürgerliche" Kunst.
Nach den Angaben von Hallmann war es sein erklärtes Ziel hohl gewordene Rituale,
vor allem der katholischen Kirche, zu destruieren". Der Künstler hat im Laufe der
zeit zahlreiche Strafanzeigen für seine Werke bekommen. Eines dieser Bilder ist das
Exemplar Elitäre Samenbank"
Die Gründe für die Beanstandung des Werkes fallen direkt auf. Deutlich ist ein Putto zu
erkennen, der mit Konrad Adenauer beschäftigt ist, während ein weiterer kleiner Engel
noch an Richard von Weizsäcker sexuelle Handlungen vornimmt. Grund für die Anzeige
war in diesem Fall nicht etwa Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sondern
Kinderpornographie. In diesem speziellen Fall wurde das eingeleitete Verfahren
eingestellt. Trotzdem führte noch im Jahr 1996 eine Ausstellung mit dem Bild
elitäre Samenbank" zur Entlassung des verantwortlichen Direktors der
Ostdeutschen Galerie" da die Staatsanwaltschaft Regensburg die Bilder wiederrum
als sowohl blasphemisch und obszön einstufte.
Der Fall Römermann"
Einen Fall aus dem alltäglichen Leben stellt der Fall Römermann" dar. Birgit Römermann betrieb im Jahr1984 einen Informationsstand in einer Fußgängerzone in Göttingen.An diesem Stand lagen unter anderem Aufkleber aus. Das Motiv der Sticker war ein gekreuzigter Christus mit der Unterschrift Masochismus ist heilbar". Aufgebrachte Passanten brachten aufgrund dieses Aufklebers Birgit Römermann vor Gericht. Zunächst wurde Römermann zu 20 Tagessätzen a 20 Mark verurteilt. In zweiter Instanz wurde die Verurteilung zwar aufrecht erhalten, die Strafe wurde unter Erteilung einer Verwarnung aber nicht vollstreckt. Römermann kommentierte diesen Umstand mit der Aussage Wäre die Grundaussage meines Infostandes im Rahmen einer Dichterlesung oder eines Theaterstückes zur Sprache gekommen, hätte es sicher einen Disput gegeben, aber sicherlich keinen Urteilsspruch". Die Richter sahen den Grund für die Verurteilung vor allem darin, dass in dem vorliegenden Fall ein einzelner Satz ohne erläuternde Diskussion in der Öffentlichkeit auslag, und in Folge der fehlenden Diskussion die religiösen Gefühle einer Person durchaus verletzt werden könnten.
Abschließend läßt sich festhalten, dass sich die
Hochkultur und ihre Vertreter deutlich mehr herausnehmen können als Vertreter der
Alltagskultur. Dies wird immer wieder deutlich. Begibt sich die Kunst als Bestandteil der
Hochkultur in die Abgründe des gerade noch (oder eigentlich nicht mehr) Erlaubten wird
ihr meist ein tieferer Sinn unterstellt. Aus diesem Umstand heraus wird es oft auch
akzeptiert, wenn etwa stark sexualisierte Dinge, etwa in einem Theaterstück, zum Tragen
kommen. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass der Personenkreis der Kunst konsumiert
ein relativ kleiner, elitärer Zirkel ist. Diesem Personenkreis wird eine gewisse
Vorbildung sowie ein großes Abstraktionsvermögen unterstellt. Es wird ganz
offensichtlich davon ausgegangen, dass es den Mitgliedern der upper class"
möglich ist zwischen der Realität und nur abgebildeten oder auf andere Art dargestellten
Gegebenheiten zu unterscheiden, während diese Fähigkeit den Nutzern" der
Alltagskultur abgesprochen wird. Die Alltagskultur kann sich wie bereits mehrfach
hervorgehoben weniger erlauben als zum Beispiel Theater und ähnliches.
Im Bereich der Werbung ist dieser Tatbestand zu erkennen, wie in dem nachfolgenden Teil,
der sich in erster Linie mit der Werbung als Bereich der Alltagskultur beschäftigt
deutlich wird.
Literaturliste
- Bocola, Sandro: Die Kunst der Moderne Zur Struktur und Dynamik ihrer
Entwicklung. Von Goya bis Beuys; München 1994
- Brockhaus in einem Band A-Z aktualisierte Auflage, Mannheim 1992
- Buchholz, Ernst: Kunst, Recht und Freiheit; München 1966
- Der Spiegel: Kunststreit; Nr 12/20.3.2000
- Encarta 99. Enzyklopädie Plus; Microsoft 1999
- http://home.t-online.de/home/M.S.Salomon/
- Ott, Sieghart: Kunst und Staat. Der Künstler zwischen Freiheit und Zensur,
München 1968
- Reinsdorf, Clara und Paul: §166 Zensur im Namen des Herrn. Zur Anatomie des
Gotteslästerungsparagrafen; Aschaffenburg 1997