Buchmesse Frankfurt, 10.10.98
am Stand der "Assoziation linker Verlage" (ALiVe)

M.S.Salomon liest Auszüge aus dem verbotenen Stück:

Das Maria-Syndrom

 

 

Vorspiel

 "Und ich sage Euch. Der Herr der Ewigkeiten lebt. Er lebt in mir. Lebt in Euch. Spürt Seine Kraft. Halleluja!"

"Halleluja!"

"Ja, kommt näher, kommt näher Brüder und Schwestern. Seid eins mit mir. Seid eins mit Gott. Fühlt Seine Stärke. Werdet Teil Seines göttlichen Plans, Teil des Feuers, das da hinwegbrennt die Sünde der Welt. Reinigt Euch, Reinigt Euch, Freunde. Halleluja!"

"Halleluja!"

"Reinigt die Welt vor Abschaum, vor Sünde. Bekämpft den Zweifel, denn der Zweifel ist das Werkzeug des Teufels. Ja, ich spreche vom Teufel, von Luzifer, dem Leibhaftigen. Blickt Euch um. Er ist mitten unter uns. Hört ihr nicht seine gescheiten Worte, die alles in den Dreck ziehen, was uns heilig ist? Ja, der Teufel ist hier und er säuselt Euch heimtückisch ins Ohr: zweifelt, zweifelt, zweifelt!

Nein, Freunde! Laßt den Zweifel nicht zu! Laßt den Teufel nicht hinein in Euer Herz! Verschließt Eure Augen und Ohren, bevor es zu spät ist! Brüder und Schwestern, Ihr müßt glauben! Nur der Glaube kann uns retten. Nur der Glaube. Der bedingungslose Glaube. Der totale Glaube, der noch totaler und radikaler ist, als wir es uns vorstellen können. Ich frage Euch: Wollt Ihr den totalen Glauben?"

"Ja!"

"Wollt ihr ihn, wenn nötig, noch totaler und radikaler, als wir ihn uns überhaupt noch vorstellen können?"

"Jaa!!"

"Dann lasset uns beten, wie der Vater uns zu beten gelehrt hat...

"Gesegnet sei der Schmerz. - Geliebt sei der Schmerz. - Geheiligt sei der Schmerz. - Verherrlicht sei der Schmerz..."


1. Akt

 

ROSA BLÜMCHEN-KACHELN! John haßte Familienfeiern. Er hatte sich soeben vom opulent gedeckten Kaffeetisch zurückgezogen, weil er die ermüdenden Tischgespräche nicht länger ertragen konnte. John beschloß, seine Zeit mit Sinnvollerem zu nutzen, sich auf der Toilette einzusperren und dort solange zu onanieren, bis daß sein Schwanz im Dunkeln glühen würde.Der Gedanke allein machte ihn scharf. Und so betrat John in freudiger Erregung das fremde Bad, wo ihn beinahe der Schlag traf.
Gerade dem Spießerpack entronnen und nun das: ROSA BLÜMCHEN-KACHELN! "Scheiße!" sagte John. Er kramte aus seiner Hosentasche eines jener kleinen, miesen Pornoheftchen, die er stets bei sich trug.  John betrachtete das Fleischangebot recht lustlos, bis er endlich ein Foto von Samantha, seiner "Schnecke", wie er sie liebevoll nannte, entdeckte. Da begann sich auch sein Pint zu regen. "Guter Pint!", sagte John. Mit diesen Worten stellte er sich vors Klosett und begann mit der altbewährten Handarbeit.
Und John onanierte ungestört. Doch ausgerechnet in dem Moment, in dem er kam und seinen Saft auf den Klobrillenrand verspritzte, klopfte es an der Tür. Draußen stand Johns Kusine Ann-Marie in keuscher Novizinnentracht. Unbefleckt. Unberührt.
"Scheiße!" fluchte John. Er packte seinen schmierigen Schwanz ein und ging zur Tür. Dort fiel sein Blick auf die noch mit reichlich Sperma verzierte Klobrille. Was tun? Noch schnell alle Spuren der Lust beseitigen? Oder... John grinste.Der Gedanke, daß sich Ann-Maries keusch-klerikaler Arsch in seinen noch warmen Liebessaft setzen werde, erfüllte ihn mit großem Entzücken. John öffnete die Tür und überließ Ann-Marie ihrem Schicksal...

 

2.Akt (9 Monate später)

 

Henry Boys war als Analytiker mit allen Wassern gewaschen, aber ein solcher Fall war selbst ihm bisher noch nicht unter die Augen gekommen. Nicht nur, daß die hochschwangere Frau, die ihm gegenüber saß, gerade vor 6 Monaten ihr Gelübde abgelegt hatte, sie behauptete auch jetzt noch steif und fest, niemals einen Mann geküßt, geschweige denn: sexuell mit einem Mann verkehrt zu haben. Dr. Boys schaute in seine Unterlagen. Der Fall der Ann-Marie Bretoni hatte für einigen Medienrummel gesorgt. Die Boulevardpresse hatte mehr als ausführlich über die Schwangerschaft der Nonne und ihre unrühmliche Verbannung aus der Ordensgemeinschaft berichtet. Er blickte auf und sah in die verzweifelten, Hilfe suchenden Augen seiner Patientin:

"Und sie behaupten noch immer, niemals mit einem Mann geschlafen zu haben?" Ann-Marie schwieg. "Sie müssen zugeben, daß dies für eine schwangere Frau eine recht ungewöhnliche Aussage ist!" sagte Boys.

Ann-Marie senkte den Kopf und Tränen der Verzweifung liefen über ihr Gesicht, als sie mit gebrochener Stimme sprach: "Herr Doktor, Sie müssen mir helfen. Es muß doch eine Erklärung für all das geben, was mir da widerfahren ist."

Boys stand von seinem Schreibtisch auf und durchschritt nachdenklich den Raum:

"Die Sache ist in der Tat recht schwierig. In der Geschichte gab es - wenn ich mich nicht irre - nur einen einzigen, auch nur annähernd ähnlich strukturierten Fall. Vor knapp zweitausend Jahren. Da stand nämlich die heilige Jungfrau Maria höchstpersönlich vor einer ähnlich prekären Situation. Ihr gelang es damals ihren wohl reichlich naiven Freund Josef davon zu überzeugen, daß ihre Schwangerschaft göttlichen Ursprungs sei. Ich möchte also - wenn Sie es mir erlauben - bezüglich Ihres Leidens von einer Art, ..."MARIA-SYNDROM" sprechen."

"Maria?" Ann-Marie schien die Ausführungen ihres Analytikers nicht recht verstanden zu haben, denn sie war plötzlich wie ausgewechselt: "Herr Doktor, gleich, als ich Sie das erste Mal sah, da wußte ich, daß Sie mich verstehen werden. Nicht wahr, Sie glauben mir doch, daß ich rein bin und niemals einen Mann in mein HEILIGSTES eindringen ließ?"

"Nun ja", sagte Boys etwas verlegen, "ich glaube Ihnen, daß Sie das glauben. Dennoch waren - davon sollten wir doch ausgehen - objektiv die Verhältnisse anderer Natur."  Boys ging zum Schreibtisch und blätterte abermals in den Unterlagen:

"Die sexualfeindliche Erziehung, in deren Genuß sie kamen, führte dazu, daß Sie den Intimbereich insgesamt negativ besetzten. Sie dämonisierten das Schöne, Erregende, heiligten das Häßliche, verketzerten die Lust, priesen die Lebensqual und entdeckten den Reiz am Reizlosen, will sagen: Sie waren prädestiniert für eine erfolgreiche Kirchenlaufbahn!"

Boys atmete tief durch: "Doch dann muß es vor circa neun Monaten einen Bruch in Ihrem Leben gegeben haben. Sie hatten ihren ersten sexuellen Kontakt..."

"Herrgott!"

"... mit einem Mann!!"

"Du Gütiger!"

"Miss Bretoni, ich befürchte, Sie wurden vergewaltigt..."

"MARIA!!"

"..aber das können Sie nicht wissen, denn dieses Erlebnis widersprach so völlig ihrem Selbstkonzept, daß Ihr ICH die ganze Situation einfach negieren mußte, um weiterhin stabil existieren zu können. Was ich sagen will: Sie haben den sexuellen Akt lediglich verdrängt, vergessen, in die Gefilde des Unterbewußten abgeschoben."

"MARIAAAA!!!!"

Dr. Boys blickte in Richtung seiner Patientin, um zu überprüfen, welche Wirkung denn seine Rede hervorgerufen hatte. Ann-Maries Reaktion war aber leider alles andere als erwartet und erhärtete seine These, daß Frömmigkeit häufig eine überaus gefährliche Form der Geisteskrankheit sei: Sie stand mit weitgeöffneten Armen und ekstatischem Blick in der Mitte des Raumes.

"Herr Doktor!", rief sie mit erregter Stimme, "Sie haben mir die Augen geöffnet! Oh gnädiger Gott! Du Gütiger! Ist es wahr, daß Du mich zu Deiner Magd erwähltest? Bin ich, Sünderin, dazu bestimmt, den Heiland, den Erlöser zu gebären?"

Ihre Stimme wurde ganz heiser vor Erregung: "Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus, Deus Sabaoth, Hosanna... Hosanna in excelsis Deo-o-o-oooh!"

Ann-Marie stöhnte laut und heftig auf und starke rhythmische Zuckungen erfaßten ihren Körper: "Oh-ho-ho-hooooo...."

Ann-Marie warf sich auf den Boden und betete sieben Mal das Pater noster.
Dann setzten die Wehen ein...

Oh oh oh oh ho ho ho....

 

 3. Akt (30 Jahre später)

 

Viele sahen in Me-Ti den wiedergeborenen Messias. Me-Ti selbst waren solche Gedanken wohlvertraut. Seine Mutter hatte ihn in dem Bewußtsein erzogen, daß er von Gott dazu bestimmt sei, die Menschheit von ihren Leiden zu erlösen. Allerdings wollte es ihm beim besten Willen nicht gelingen, auch nur das schäbigste, kleine Wunder zu vollbringen. Mit Scham dachte er an die zahlreichen, mißglückten Versuche zurück, trockenen Fußes über das Wasser zu schreiten. Auch seine Fähigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln, ließ sehr zu wünschen übrig. Me-Ti hatte also - was seine messianischen Wunderkräfte betraf - einige nicht unbedeutende, praktische Schwierigkeiten. Aber das war nicht der einzige Grund, der ihn davon abhielt, sich öffentlich als "Sohn Gottes" zu proklamieren. Zu den praktischen Schwierigkeiten gesellten sich erkenntnistheoretische, sogenannte "epistemologische Barrieren", denn Me-Ti war sich im Klaren darüber, daß man als Mensch über Gott und das Jenseits nichts Wahres aussagen könne.

"Mißtraut denen, die da sagen,
Daß Gott auf ihrer Seite
Steht.
Sie sind nur so nah ihrem Gott
Weil sie so fern
Dem Menschen sind.
Das jenseitsgetrübte Auge
Es übersieht allzu gerne
Das Unrecht im Diesseits
Ihm verklärt sich
Das Leid zur Freude
Das Verbrechen zur Heldentat und
Das Joch zum Siegessymbol"

 

("Äh, wie bitte?" )

Wie heißt es so schön? Perlen vor die Säue! Me-Tis Beteuerungen halfen nichts. Im Gegenteil: Je mehr er sich dagegen wehrte, als Auserwählter Gottes bezeichnet zu werden, desto mehr waren seine Anhänger von seiner göttlichen Herkunft überzeugt. (Ein altbekanntes religiöses Problem, das schon den armen Brian zur Weißglut trieb...) Me-Ti wollte sich damit aber nicht abfinden. Er nahm sich vor, die - so formuliert sein Biograph Werner Senfbier - "aus fehlender Ich-Stärke resultierenden Besitzansprüche seiner Anhänger in einem Gleichnis zu thematisieren". Aus diesem Grund verfaßte er eine wunderschöne Ballade mit dem einprägsamen Titel "Exkurs zur Internalisierung kapitalismusimmanenter Verdinglichungs-prozesse am Beispiel der emotionalen Interaktion".

(Da niemand auch nur annähernd den Sinn des Songs verstand, konnte er sich fünf Monate lang an der Spitze der Internationalen New-Age-Teestuben-Charts halten. Besonders beliebt war dort der "Anthroposophische Ringelsockenparty-Mega-Mix" (das Cover in pastellrosa, dazu ein Videoband mit überaus VERWEGENEN Eurythmie-Übungen, kurzum: ein absoluter Kracher...).

Me-Ti war sehr besorgt über das Verhalten seiner Anhänger, die von morgens bis abends vor seinem Fenster für ihr ewiges Seelenheil beteten. Das war nicht nur politisch fatal, sondern auch für Me-Ti persönlich höchst unangenehm. Denn Me-Ti war gegen Weihrauch so allergisch wie andere gegen Katzenhaare und zudem ging ihm das ständige "Hosanna, Hosanna", das erklang, sobald er sich dem Fenster näherte, doch ziemlich auf die Nerven.

Darum schlich er sich immer häufiger in die zum Rot-Licht-Bezirk avancierte Hafengegend am anderen Ende der Stadt, wo ihm der Fischgeruch bodenständiger Menschen entgegenwehte. Es war merkwürdig, aber Me-Ti hatte hier das starke, wenn auch unbestimmte Gefühl, der Wurzel seiner Existenz näher zu sein als in den Tempeln des Geistes, in denen die Elite nach dem Ursprung des Seins forschte.

Sonett (dionysisch)

Daß der Weise keine Eier habe,
Daß heiße Schenkel ihn nicht erhitzen,
Daß er, um Lebenskraft nicht unkeusch zu verspritzen,
Dionysischem Rausche ganz entsage;

Das glaubt nur der Mensch als krankes Tier,
Glaubt nur der blasse, magenkranke Kostverächter.
So rächt sich der staubige Moralverfechter
Für die Schmach seines Daseins an Dir und mir.

 Doch nun Freundin, die Beine breit! Öffne Dich meiner Liebe.
Laß uns kosten die Süße des Moments
Und die flüchtige Schwerkraft unserer wilden Triebe.  

Und beeil Dich! Man sagt zwar: Alle Lust will Ewigkeit!
Aber Freundin, wie Du weißt:
Empirisch gilt dies doch nur für kurze Zeit.

 

Eines Tages überredete Me-Ti seine Mutter dazu, mit ihm zusammen eines jener kleinen, miesen Sex-Geschäfte der Hafengegend aufzusuchen. Ann-Marie, die eigentlich den Geruch des Eros nicht ertragen konnte, folgte ihrem Sohn, denn sein Wort war ihr heilig.

Sie betraten "Samantha's Sex-Shop".

Plötzlich stand ein Mann in schwarzem Leder vor ihnen: "Womit kann ich dienen? Wir führen Peitschen, Ketten, Fesseln, Gummischwänze aller Art. Schauen Sie sich zum Beispiel diesen Vollgummi-Pint an. Ich sage ihnen, die Noppen ..."

Plötzlich stockte der Mann. "Ha! Verdammt! Wenn das nicht Kusine Ann-Marie ist! Erkennst Du mich nicht? Ich bin's, Cousin John."

Er drehte sich unvermittelt um: "Sam! Sam! Komm her, wir haben Besuch!"

Aus der rechten hinteren Ladenhälfte wankte eine fleischige Frau heran, deren phänomenale Oberweite die enge Dominakluft schier zu sprengen drohte.

"Starker Auftritt," sagte John. "Schnauze!" zischte Sam. Sie wandte sich Ann-Marie zu: "Er ist ein gottverdammter Wichser!"

John schien´s nicht zu stören: "Sam", flötete er, "darf ich vorstellen, das ist meine Kusine Ann-Marie: Einst die Oberkeusche vom Dienst und heute mit ihrem jungen Stecher im Sexshop!!"

Ann-Marie blieb kühl: "Ich muß Dich enttäuschen, John, das ist mein Sohn Me-Ti!"

John lachte: "He, he, ziemlich blöder Name, was Kumpel?" Doch Sam fuhr dazwischen: "Schnauze, John!" "Me-Ti?" fragte sie nachdenklich, "Ha! Aber klar doch! Hab Dein Bild in ?ner Illustrierten gesehn! Hey, Mann, warte mal 'nen Moment!"

Sam drückte dem überraschten Me-Ti einen gigantischen Plastikschwanz in die Hand, öffnete die oberen Knöpfe ihres Mieders und schmiegte sich lasziv an Me-Tis Brust, worauf John eilig ins Nachbarzimmer verschwand, um kurze Zeit später mit einem Fotoapparat bewaffnet zurückzukehren. Ann-Marie erkannte sofort die finsteren Absichten ihres Cousins und stellte sich beschützend vor ihren Sohn.

"John, ich warne Dich! Ich werde es auf keinen Fall zulassen, daß Du dem guten Ruf meines Sohnes Schaden zufügst!"

"Okay, okay." meinte John. "Nur keine Aufregung. Bleib cool. War nicht so gemeint. Ehrlich!"

John legte die Kamera beiseite und drehte sich eine Zigarette. Dann blickte er grinsend zu Ann-Marie hinüber: Rund dreißig Jahre lang hatte er sie nicht mehr gesehen. Nicht, daß er sie vermißt hätte. Nein, nein! Aber es amüsierte ihn, daß er sie ausgerechnet in einem Sex-Shop wiedertraf: Kusine Ann-Marie, die Unberührbare! Er hatte immer einen großen Bogen um sie gemacht, denn er hielt sie für gefährlich. Ihr Weihwasserparfüm hätte ganze Kolonien von Männern in die Impotenz treiben können, meinte John. Darum hatte er es einst auch als einen Akt wahrer Nächstenliebe empfunden, als er hörte, daß Ann-Marie, aus der Not eine Tugend machend, ihr Leben in klösterlicher Abgeschiedenheit verbringen wollte. Aber - wie es schien - war da etwas UNGEHEUERLICHES dazwischengekommen. John konnte es nicht fassen. Welcher Potenzprotz hatte es geschafft, diesen Keuschheitsgürtel mit seinem Speer zu durchdringen? Wie war es ihm gelungen, mit Ann-Marie zu schlafen, ohne vorzeitig zu erschlaffen? John mußte herausfinden, wer dieser phänomenale Sportsmann war. Er fragte Ann-Marie nach dem Vater ihres Sohnes. Dabei war er - wie immer - sehr höflich und zurückhaltend.

"Kenn' ich den Schwanz, der Dich bekehrt hat?"

Ann-Marie verzog keine Miene:

"Me-Ti hat keinen irdischen Vater! Ich habe ihn unbefleckt empfangen. Er ist Gottes Sohn!"

"Aha..., äh, Gottes Sohn..." Das verschlug selbst John die Sprache. Doch er fand sie recht schnell wieder: "Aber klar doch!", feixte er, "Daß ich nicht selbst darauf gekommen bin! Das erklärt natürlich alles! Hahaha! Doch bitte, Ann-Marie, verrat' mir eins: WIE HAT GOTT ES DIR GEMACHT? Von HINTEN?

Ohhhhhh

Von VORN?

Ohhhhhh

Oder hat seine Allmächtigkeit gewichst und heimlich, in der Stille der Nacht, sein göttliches Sperma zwischen Deine keuschen Beine gespritzt?"

John schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel und begann hysterisch zu lachen. Doch plötzlich hielt er inne. Er blickte Me-Ti scharf an und fragte ihn nach dem genauen Datum seiner Geburt. Me-Ti, der die ganze Zeit über das Geschehen amüsiert beobachtet hatte, gab bereitwillig Auskunft.

John runzelte die Stirn. Er schien zu rechnen, was ihm sichtlich schwerfiel. Doch plötzlich erhellte sich sein Gesicht.

Johns Augen funkelten böse.

"Hey, Heiland", sagte er, " ich weiß, wer Dein Vater ist!"

Mit einem Augenzwinkern wandte er sich Ann-Marie zu:

"Du erinnerst Dich doch an den achtzigsten Geburtstag von Großonkel Henry ?..."

Und John erzählte ausführlich und mit sichtlich großem Genuß die ganze Geschichte - von dem opulent gefüllten Kaffeetisch, den ermüdenden Tischgesprächen, von ROSA BLÜMCHEN- KACHELN und von den Freuden der Onanie.

Als er seine Ausführungen beendet hatte, brach Ann-Marie zusammen. Sie wurde in ein Sanatorium eingeliefert und lebte dort bis zu ihrem Tode im Zustand geistiger Umnachtung.

John verkaufte seine Story exklusiv und für viel Geld an eine große Boulevardillustrierte und hielt (mit "Schnecke" Samantha an seiner Seite) Einzug in die "feine Gesellschaft".

Me-Ti wurde nicht mehr ernstgenommen. Seine Schüler wurden verlacht, seine Werke verbrannt. Und so beschloß Me-Ti am Ende resigniert, seine Koffer zu packen. Er kehrte der sogenannten Zivilisation den Rücken und zog in den Himalaja, wo er sein Leben und seine Stellung zur Welt neu überdenken wollte.

(Oooooooohhhhhhmmmmmmmmmmmmmmmmmm)

Doch selbst dort, in den u n e n d l i c h e n W e i t e n des Himalaja fand Me-Ti seine innere Ruhe nicht wieder. Die bitteren Spottgesänge, die er hatte über sich ergehen lassen müssen, konnte er nicht so einfach vergessen...

Me-Ti war verzweifelt, verwirrt, glaubte, seinen Verstand zu verlieren. Er warf sich zu Boden, winselte wie ein verletztes Tier. Das erste Mal seit langer, langer Zeit betete er wieder zu "Gott". Er flehte - völlig von Sinnen -, "Gott" möge sich ihm zeigen und ihm endlich den Weg aus dieser Hölle weisen. Me-Ti schrie um Gnade, um ein Zeichen, einen Ausweg.

- Und tatsächlich:

Me-Ti wurde erhört!!

"GOTT" erschien ihm in Gestalt einer GHEIMNISVOLL ILLUMINIERTEN TOILETTENBRILLE ...

"Ein Zeichen, oh Gott, ein Zeichen!" stammelte Me-Ti tief ergriffen.

Er, der solange durch die Nacht, die Finsternis der Verzweiflung und Verwirrung gewandert war, erblickte nun das reinigende Licht göttlicher Erkenntnis, sah nun doch noch eine Möglichkeit, seine Mission zu erfüllen.

Er hatte eine Idee, eine grandiose Idee, unzweifelhaft göttlich inspiriert! Dessen war er sich sicher...

 

Epilog

Vor zwei Jahren kam Me-Ti aus der Emigration zurück und gründete eine SANITÄRFIRMA. Wie man hört, ist er bei seinen Angestellten außerordentlich beliebt, eine Sache jedoch sorgt bei ihnen für ziemliche Verwirrung: Hat die Firma "Sanitär-Bretoni" nämlich gerade eine öffentliche Bedürfnisanstalt fertiggestellt (auf ebensolche hat sich die Firma weitgehend spezialisiert), so soll sich, wie man mir sagte, stets die gleiche, merkwürdige Zeremonie abspielen.

Vorgestern konnte ich sie selbst beobachten: Me-Ti hatte sich auf der Damentoilette eingeschlossen und kam erst eine knappe Stunde später wieder zum Vorschein. Er kniete sich reichlich ERSCHÖPFT vor das Waschbecken, wo er ungefähr zehn Minuten still meditierte. Ich ging zu ihm hin und fragte ihn, was er denn mit diesem seltsamen Tun bezwecke. Er blickte mir tief in die Augen und sprach:

"Siehe:
Ich bin der gute Sämann.
Ich werfe den kostbaren
Samen aus.
Ach, möge ein gnädiger Gott gewähren,
Daß er auf
Fruchtbaren Boden fällt."

 

"Amen", sagte ich verwirrt.
"Amen", sagte auch Me-Ti und sein Lächeln spiegelte sich sanft in einem Meer von ROSA BLÜMCHEN-KACHELN...

 

Song: Postreligious

 

Sie reden in Zungen
Und brummeln Texte
Stundenlang vor sich her
Sie sprechen gern von Liebe
Und Barmherzigkeit
Doch das Morden fällt ihnen nicht schwer
Denn sie sehn in ihren Opfern Tiere
Wilde Tiere ohne Sitte
Die man ausrotten kann
Du wirst dran glauben
Oder glauben
Ist ihr Wahlspruch
Und den -
Wenden sie an

Millionen Opfer sind das Zeugnis
Ihrer Liebe
Ihrer Barmherzigkeit
Bleibt mir vom Leib mit eurem Glauben
Eurem Heiligenschein
Eurer Scheinheiligkeit

 

Postreligious
Not superstitious
Wouldn’t it be delicious
To live in a postreligious world?

 

Offenheit statt Offenbarung
Wär´ ein Ausweg
Doch den schlagen sie nicht ein
Religiöse Trottel sind auf dem Vormarsch
Sie wollen glauben
Für Argumente
Ist hier Hirn zu klein

Drum laßt euch nicht infizieren
Von dem Virus der ReligionUnd laßt euch nicht beherrschen
Von den Frommen
Denn das -
Hatten wir schon

 

Die Blutspur der Religionen
Zieht sich durch die Geschichte
Wie ein roter Faden
Drum sei kein Kind
Laß dich nicht verführen
Von diesen Seligen
Die so arm im Geiste sind

 

Postreligious
Not superstitious
Wouldn’t it be delicious
To live in a postreligious world?

 

Die Geschichte ist ein Grauen
Dank dem Wirken dieser
Jammertals-Fraktion
Sie sind nur gut im Niederknüppeln
Aller Freiheit
Im Namen der -
"Heiligen Tradition"

Drum verbieten sie das Denken
Sie indizieren selbst den guten alten Kant
Nun, wenn es einen Teufel gäbe
Er trüge sicherlich ein
Geistliches Gewand...

 

Postreligious
Not superstitious
Wouldn’t it be delicious
To live in a postreligious world?

 

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